Japan: Atomkatastrophe:Greenpeace wirft Tepco Betrug vor

Wusste der japanische Betreiber des AKW Fukushima schon kurz nach dem Erdbeben von der Kernschmelze - und hat die Verstrahlung der Arbeiter und des Meerwassers in Kauf genommen? Das zumindest behauptet Greenpeace und stützt sich dabei auf eine neue Studie.

Der japanische Atomkonzern Tepco hat nach einer Greenpeace-Studie bereits wenige Stunden nach dem Erdbeben vom 11. März von der Kernschmelze in Fukushima gewusst. Dennoch wurde erklärt, die Lage sei unter Kontrolle. Die japanische Bevölkerung und die internationale Gemeinschaft seien bewusst getäuscht worden, erklärte die Umweltschutzorganisation.

Japan: Atomkatastrophe: Aus einem Gebäude des havarierten Atomkraftwerks Fukushima tritt offenbar erneut radioaktiv verseuchtes Wasser aus.

Aus einem Gebäude des havarierten Atomkraftwerks Fukushima tritt offenbar erneut radioaktiv verseuchtes Wasser aus.

(Foto: AFP)

Innerhalb der ersten 24 Stunden des Unfalls habe Tepco direkten Zugang zu Daten gehabt, welche die rasch ansteigenden Temperaturen im Druckbehälter sowie eine Kernschmelze offensichtlich gemacht hätten, heißt es in der Studie des britischen Ingenieurs John Large. Das japanische Unternehmen habe die radioaktive Verseuchung der AKW-Beschäftigten, der Region und des Meerwassers in Kauf genommen.

Tepco und die japanische Regierung hatten wegen ihrer zögerlichen Informationspolitik immer wieder heftige Kritik ausgelöst. So hatte die Betreibergesellschaft erst in dieser Woche zugegeben, dass es nicht nur in einem, sondern in drei Reaktoren zu einer Kernschmelze gekommen ist. Sie bestätigten damit viel früher getroffene Einschätzungen zahlreicher unabhängiger Experten.

Die Industrie und die Atomaufsichtsbehörde in Japan hätten bis heute kein Interesse daran, die Öffentlichkeit über die Gefahren der Atomkraftwerke zu informieren, sagte Heinz Smital von Greenpeace. Der Kernphysiker forderte, dass die Ergebnisse der Studie auch in die deutsche Diskussion über den Ausstieg aus der Kernkraft mit einfließen sollten.

Zudem haben die Umweltaktivisten in Meereslebewesen in der Nähe des havarierten Atomkraftwerks Fukushima eine hohe Strahlenbelastung nachgewiesen. Bei 14 von 21 untersuchten Proben sei eine Menge an radioaktiven Partikeln gemessen worden, die über den gesetzlichen Grenzwerten für den Verzehr liege, teilte Greenpeace mit.

Zu den analysierten Lebensmitteln gehörten Seetang und Krebstiere. Auch Fische, die in 22 bis 60 Kilometern Entfernung des Atomkraftwerks gefangen wurden, seien untersucht worden. Greenpeace fand erhöhte Werte für Jod 131, Cäsium 134 und Cäsium 137. Bei Seetang seien Werte für radioaktives Iod gemessen worden, die mehr als dem 60-fachen der Grenzwerte entsprechen.

Die neuen Daten weckten "ernste Sorgen" über Risiken, die von radioaktivem Meerwasser ausgingen, erklärte Greenpeace-Experte Jan Vande Putte. Er forderte die japanische Regierung auf, Informationen über die ins Meer gelangte Menge an Radioaktivität zu veröffentlichen - und warf ihr ein schlechtes Krisenmanagement vor. Die japanischen Behörden versuchten, die Belastung des Wassers herunterzuspielen und vernachlässigten die Überprüfung.

Bewohner kehren erstmals in Stadt bei Fukushima zurück

Unterdessen gibt es im havarierten Atomkraftwerk von Fukushima neue Rückschläge: Aus einem Gebäude tritt offenbar radioaktiv verseuchtes Wasser aus, wie Tepco am Donnerstag mitteilte. Der Wasserstand dort sei gesunken. Der Betreiber hatte Anfang April damit begonnen, schwach radioaktives Wasser aus dem Kraftwerk in den Pazifik zu pumpen. Tepco wollte so für höher belastetes Wasser Platz schaffen, das sonst ins Meer gesickert wäre.

Dennoch sind am Donnerstag erstmals seit dem Beginn der Atomkatastrophe mehrere Dutzend Bewohner der nahe am Atomkraftwerk gelegenen Stadt Futaba für einen Kurzbesuch zurückgekehrt. In Schutzanzüge gehüllt hatten sie zwei Stunden Gelegenheit, persönliche Gegenstände aus der kurz nach dem verheerenden Erdbeben evakuierten Stadt zu holen.

Bislang ist keine Gruppe weiter in die Sperrzone, die mit einem Radius von 20 Kilometern um die beschädigte Atomanlage angegeben wird, vorgedrungen. Ähnliche Besuche hatte es bereits zuvor in weiter entfernten Orten gegeben. "Es war genauso, wie zum Zeitpunkt des Erdbebens", sagte die 17-jährige Schülerin Anna Takano. "Es hat sich sehr seltsam angefühlt."

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