Indonesien:Tödlicher Fusel

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Verdächtige stehen während einer Pressekonferenz der indonesischen Polizei neben beschlagnahmtem Alkohol. (Foto: Zulkarnain/dpa)

Wein mit Methylalkohol und Spirituosen mit Mückenschutzmittel: In Indonesien sterben mehr als hundert Menschen an gepanschten Getränken - eine Vergiftungskrise ungekannten Ausmaßes.

Von Arne Perras, Singapur

Immer neue Patienten taumeln in das kleine Hospital von Cicalengka im Westen der indonesischen Insel Java, sie klagen, dass alles vor ihren Augen verschwimmt, manche haben Atemnot, andere brechen bewusstlos zusammen. Die Ärzte kennen die Symptome, aber sie wissen, dass ihre Hilfe bei Vergiftungen durch Methylalkohol oft zu spät kommt. Klinikchef Yani Supema berichtet im indonesischen Fernsehen, dass seine Klinik völlig überfordert sei mit dem Notstand. 93 Patienten seit Anfang April, wo sie hier nur 19 Betten haben. Und die Zahl der Toten steigt von Tag zu Tag. Es sind nun schon mehr als 100, die in Indonesien ihr Leben gelassen haben, weil sie vergifteten Fusel tranken. Die meisten Opfer traf es in Gemeinden rund um die Hauptstadt Jakarta.

Vergiftungen dieser Art sind keine Seltenheit in Indonesien, wo Straßenhändler gerne selbst gebrauten Palmwein oder Schnaps unter der Hand verkaufen. In seltenen Fällen sterben daran auch mal Touristen, wie 2013 zwei junge Berliner. Die jüngste Krise allerdings sprengt alle bekannten Dimensionen. "Das ist Wahnsinn", klagte Vize-Polizeichef Muhammad Syafruddin, der große Mengen konfiszierter Ware bei einer Pressekonferenz zur Schau stellte. Alle Polizeireviere der Nation seien angewiesen, umgehend nach illegalem Fusel zu fahnden, erklärte Syafruddin. Sieben Verdächtige haben die Fahnder schon festgenommen. Bis zum Beginn des Fastenmonats Ramadan will der Polizeichef das Problem im Griff haben, in einem Monat soll kein Tropfen illegaler Alkohol mehr auf dem Markt sein. Doch alle wissen, dass er das nicht schaffen kann, weil die Kontrolle des Schwarzmarktes nahezu unmöglich ist in einem Land, in dem Korruption auf allen Ebenen grassiert.

Die Spirituosen waren gestreckt - mit Mückenschutzmittel

Analysten sagen, dass der Bedarf auf dem Schwarzmarkt gestiegen sei, seitdem das überwiegend von Muslimen bevölkerte Indonesien den legalen Verkauf von Alkohol 2015 beschränkt hat. Um Jugendliche vor Missbrauch zu schützen, verboten die Behörden damals den Verkauf von Spirituosen in Zehntausenden Kleinläden, während er in größeren Supermärkten und Hotels verfügbar blieb. Islamische Parteien versuchen, den Alkoholverkauf ganz zu verbieten, doch sind sie bislang mit den Plänen gescheitert. Auf der hinduistischen Ferieninsel Bali etwa kann sich niemand vorstellen, wie man westliche Gäste halten soll, wenn ein solches Verbot kommt. Hoteliers fürchten, dass Millionen Gäste auf andere Länder ausweichen würden.

Die Vergiftungen machen die Risiken des Schwarzmarktes deutlich. Wer das Destillieren nicht beherrscht, setzt seine Kunden tödlichen Gefahren aus. In solchen Fällen kommt Methylalkohol in Umlauf, der irreparable Organschäden bis zum Herzstillstand verursacht. Manchmal wird der Fusel auch mit anderen Substanzen versetzt. In Bandung fand die Polizei heraus, dass der in Tüten abgefüllte Alkohol mit Mückenschutzmittel gestreckt war.

Indonesien ist nicht allein. Auch in vielen afrikanischen Ländern kommt es regelmäßig zu Massenvergiftungen, weil sich arme Leute den Alkohol im Geschäft nicht leisten können. Und auch Gemeinden nördlicher Länder trifft es immer wieder, so wie 2016, als in Sibirien 78 Menschen an Methylalkohol starben.

© SZ vom 12.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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