Indonesien:Doppelt bedroht

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Brandstifter, Wilderer, Dorfbewohner: Orang Utans haben viele Feinde. In diesem Jahr wüten die Waldbrände besonders schlimm. 60 000 Menschenaffen gibt es noch in Südostasien - haben sie eine Überlebenschance?

Von Arne Perras, München

Aus dem engen Metallkäfig, den die Helfer öffnen, klettern zwei Affen ins Freie, einer ist sehr klein und dünn, er klammert sich ans rote Fell seiner Mutter. Die macht sich schnell davon, bahnt sich auf allen Vieren einen Weg durchs Dickicht, umfasst den nächstbesten Stamm und strebt dann zügig in die Höhe. Dort oben kann sie niemand mehr attackieren, in den Baumkronen ist sie vorerst sicher.

Filmaufnahmen von den beiden jüngst geretteten Orang-Utans hat die Tierschutzorganisation International Animal Rescue (IAR) in Umlauf gebracht. Sie machen aufmerksam auf die nahezu ausweglose Lage der Menschenaffen im tropischen Südostasien. Auf den Inseln Sumatra und Borneo brennen die Wälder nun schon seit vielen Wochen. Das treibt die Tiere panisch in die Flucht. Nichts fürchten sie mehr als das Feuer. Aber wo sollen sie noch hin, wenn so viele Flächen niedergebrannt werden für neue Holz- und Ölplantagen? Wenn es den Löschmannschaften kaum gelingt, die längst außer Kontrolle geratenen Brandrodungen einzudämmen? So kommen traumatisierte und halb verhungerte Tiere nun auch den Menschen in den Dörfern in die Quere, die sie als Essensdiebe verfolgen. So sind die Affen gleich doppelt bedroht.

Unter den Brandrodungen in den Tropen leiden Menschen wie Tiere. Der Qualm löst gefährliche Atemwegserkrankungen aus, im September und Oktober breitete er sich weit übers Meer nach Norden aus. Er verpestete die Metropolen Singapur und Kuala Lumpur und erreichte zeitweise sogar die Ferienparadiese im Süden Thailands. Zwar verschafften ein paar Regenfälle dieser Tage kurzzeitige Linderung. Doch ein Ende der Feuerkatastrophe ist nicht abzusehen. Manche Experten vermuten, dass die Feuer noch bis ins neue Jahr weiterlodern könnten. Sie verweisen auf das Phänomen El Niño, das für den Regenmangel auf Borneo und Sumatra verantwortlich gemacht wird. Brandrodungen gibt es dort jedes Jahr, doch nie waren die Feuer so zahlreich und verheerend wie 2015.

Der indonesische Staat wirkt völlig überfordert. Und wo nicht einmal die betroffenen Menschen gute Aussichten haben, dass sich ihre Lage verbessert, ist es für die Orang-Utans noch viel düsterer. 50 000 bis 60 000 Tiere soll es noch geben. Doch ihre Anzahl könnte jetzt schnell schwinden. Die Feuer bedrohen nach Schätzungen ein Drittel der noch lebenden Menschenaffen der Region, wie Umweltschützerin Marie Gale von der Organisation "Safe Indonesian Endangered Species" (SIES) warnt.

Manche Tiere sterben in den Feuern, andere können noch traumatisiert fliehen, finden dann aber keine Nahrung mehr, weshalb sie in den Gärten der verarmten Dörfer nach Essbarem suchen. Das kommt dort nicht gut an. So war es auch mit einem jüngst geretteten Affenweibchen und ihrem Jungen. Die Mutter war stark abgemagert, die Dorfbewohner versuchten dennoch, sie mit Steinen zu vertreiben. Als Helfer die Tiere schließlich einfangen konnten, bekam die Mutter eine Betäubungsspritze und wurde aus der Gefahrenzone transportiert, um sich erholen zu können.

Die Helfer haben sie einige Tage später in einem Schutzgebiet wieder ausgesetzt. Ihr Überleben garantiert das nicht. Weder der ätzende Qualm noch das Feuer machen vor solchen Grenzlinien halt, die Brände griffen in den vergangenen Wochen schon auf zahlreiche Schutzzonen Sumatras und Borneos über, wie die Jakarta Post berichtet. Und die Löschmannschaften kämpfen immer weiter.

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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