Germanwings-Katastrophe:Anwälte wollen in den USA klagen

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Die Gedenkstätte in der Nähe der Absturzstelle in den französischen Alpen

(Foto: Jeff Pachoud/AFP)
  • Eine Gruppe aus deutschen, englischen, spanischen und amerikanischen Anwälten will offenbar in den USA gegen die Lufthansa-Tochter Germanwings auf Schadenersatz klagen.
  • In den USA wird generell deutlich höheres Schmerzensgeld gezahlt als in Deutschland. Trotzdem raten Anwälte von Lufthansa und andere Opferanwälte davor.
  • Sie halten eine Klage in den USA für aussichtslos, es würden nur Kosten für die Angehörigen entstehen.

Von Hans Leyendecker

Der Germanwings-Absturz in den französischen Alpen mit 150 Toten wird nach Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung vermutlich schon bald die US-Justiz beschäftigen. Ein halbes Jahr nach dem verheerendsten Unglück in der Geschichte der zivilen Luftfahrt in Deutschland hat eine Gruppe aus deutschen, englischen, spanischen und amerikanischen Anwälten eine Allianz geschmiedet, um Schadenersatzklagen gegen die Lufthansa-Tochter bei Gerichten in den USA einzureichen.

Auf einer Art Informationsveranstaltung am Samstag in Düsseldorf wollen Vertreter der Gruppe, zu der die deutschen Anwälte Elmar Giemulla und Christof Wellens gehören, Angehörige der Opfer für eine Klage in den USA gewinnen. Dort dürften sie sich, in der Theorie zumindest, deutlich höhere Ansprüche auf Schmerzensgeld erhoffen, als Germanwings bisher zugestanden hat.

Rund 120 Hinterbliebene wollen zu der Veranstaltung kommen. Binnen der nächsten vierzehn Tage sollen sie sich dann entscheiden, ob sie sich einer Klage in den USA anschließen wollen oder nicht.

Ein Krieg der Juristen hinter den Kulissen

Anwälte der Fluggesellschaft, aber auch andere Opferanwälte, haben vor diesem Schritt gewarnt, da nach ihrer Meinung amerikanische Gerichte für eine solche Klage nicht zuständig seien. Der Kölner Anwalt Rainer Büsken, der die Lufthansa-Tochter vertritt, rät "schon aus Gründen der Vermeidung unnötiger Kosten" den Angehörigen von Klagen in den USA ab.

Hinter den Kulissen tobt seit Anfang an ein Krieg der Juristen. Insgesamt 48 Rechtsvertreter von Angehörigen haben sich bei den Anwälten von Germanwings registrieren lassen. Sie treten für die Hinterbliebenen der 71 deutschen und der 79 ausländischen Opfer auf. Manche Ehepartner haben unterschiedliche Anwälte mandatiert. häufig werden Fmilien von Opfern von mehreren Anwälten vertreten.

Die Fronten sind verhärtet: Germanwings hatte den Angehörigen früh eine Soforthilfe als Vorschuss in Höhe von 50 000 Euro angeboten. Das Geld soll in fast allen Fällen abgerufen worden sein. Nach Angaben von Germanwings sollen bislang nur in fünf Fällen Angehörige nicht die Auszahlung des Geldes verlangt haben.

Außerdem bietet Germanwings den Hinterbliebenen deutscher Opfer pauschal 25 000 Euro Schmerzensgeld für die vor dem Absturz durchlittene Todesangst der Passagiere an. Jeder nahe Angehörige mit Wohnsitz in Deutschland - dazu gehören Eltern, Partner und Kinder - soll zudem für unterstellte eigene Gesundheitsschäden jeweils ein eigenes Schmerzensgeld in Höhe von 10 000 Euro erhalten können. Diese Schmerzensgelder sollen nach Angaben von Germanwings "bisher in circa 70 Fällen abgerufen" worden sein.

Manche Angehörige fürchten offenbar, dass sie bei einer Auszahlung des Geldes ihre Rechte verlieren könnten oder sie halten die angebotenen Summen für ungenügend oder gar indiskutabel.

Beim so genannten materiellen Schadenersatz ist die Lage klar: Ein von der Allianz geführtes Konsortium stellte knapp 300 Millionen Euro für die Folgen des Germanwings-Absturzes zurück. Ein größerer Teil des Geldes dürfte auf Unterhaltszahlungen entfallen, die nach Einkommen, Familiensituation und Alter stark variieren werden. Als Beispiele hat die Fluggesellschaft sechs "Gesamt-Unterhaltsschadenszahlungen" inklusive Zinsbereinigung und Inflationsausgleich in Höhe von 600 000 Euro bis 1,55 Millionen Euro ausgerechnet. Außerdem hat die Germanwings-Mutter Lufthansa einen 15 Millionen-Fonds für Angehörige der Opfer aufgelegt. Über die Verteilung des Geldes soll ein Gremium entscheiden. Die Angehörigen der Crew-Mitglieder sollen in diesem Fall genau so behandelt werden wie die Angehörigen der übrigen Opfer auch.

Schon früh mit Klagen in den USA gedroht

Umstritten ist, ob eine Klage in den USA wirklich Aussicht auf Erfolg haben könnte. Das Montrealer Übereinkommen von 1999 regelt, wo Geschädigte klagen können. Da Germanwings nur Ziele in Europa anfliegt und keine Betriebsstätte in den USA hat, können nach Meinung einiger Experten Gerichte in den USA überhaupt nicht zuständig sein. Die deutschen Opferanwälte Wellens und Giemulla hatten schon früh mit Klagen in den USA gedroht. Wie sie genau erreichen wollen, dass solch eine Klage in den USA zugelassen wird, darüber haben sie Stillschweigen vereinbart.

Gegenüber Medien hatte Opferanwalt Wellens allerdings vor kurzem auf eine amerikanische Spur verwiesen: "Die Ausbildungsakten zählen für uns als relevantes Beweismittel" hatte Wellens erklärt.‎ Der Co-Pilot Andreas Lubitz, der die Maschine zum Absturz brachte, war einige Monate in Arizona an einer Flugschule, die von der Lufthansa beschickt wird, ausgebildet worden.

Der Opferanwalt Ulrich von Jeinsen aus Hannover, der auch als Spezialist auf diesem Gebiet gilt und früher mit Giemulla zusammengearbeitet hat, hält die Klage für "aussichtslos". Familien würden "Erfolgschancen vorgegaukelt". In einem Beitrag für "flug-und-recht.de schrieb er, "Klagen in den USA bei Germanwings" seien "nach bisherigen Erkenntnissen unmöglich".

Jeinsen schildert in dem Beitrag eine Klage, die er gemeinsam mit einer amerikanischen Kanzlei gegen den amerikanischen Flugzeugbauer Boeing in den USA versucht hatte. Es ging um den Tod eines Holländers, der starb weil eine der Rettungsrutschen des Flugzeuges nicht richtig funktioniert hatte. Die Gerichte hätten die Klage ablehnt, weil ein Flugzeug auf dem Weg von Taipeh nach Singapur mit einem holländischen Passagier an Bord keine Verbindung zu den USA habe.

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