Suche nach Flugschreiber:"Es könnte sein, dass er keine Signale sendet"

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  • Womöglich war der Aufprall der abgestürzten Germanwings-Maschine so stark, dass der zweite Flugschreiber keine Signale mehr sendet. Das sagt ein Lufthansa-Manager bei "Günther Jauch".
  • Der Copilot der Germanwings-Maschine soll sich wegen einer möglichen Einschränkung des Sehvermögens in ärztliche Behandlung begeben haben.
  • Sein Arbeitgeber, die Lufthansa, wusste nach eigenen Angaben nichts von einer Erkrankung des Copiloten.
  • Ermittler konnten bisher die DNA-Spuren von 78 Opfern sichern. Das gab der Staatsanwalt von Marseille bekannt.
  • Die Behörden haben eine provisorische Straße zur Unglücksstelle angelegt, um die Bergungsarbeiten zu erleichtern.

Ermittler hoffen auf zweite Black Box

Das Auffinden des zweiten Flugschreibers nach dem Airbus-Absturz in Frankreich ist außerordentlich schwierig. "Es könnte sein, dass die Belastung hier zu groß war und er keine Signale sendet", sagte Lufthansa-Manager Kay Kratky am Sonntagabend in der ARD-Talkshow "Günther Jauch". Die Maschine sei mit Tempo 800 und damit mit unvorstellbarer Wucht an dem Bergmassiv nordöstlich von Marseille zerschellt, sie sei pulverisiert worden. Der zweite Flugschreiber werde aber gebraucht, um sich ein genaues Bild vom Hergang zu machen.

Brice Robin, der Staatsanwalt von Marseille, schließt auch die Möglichkeit eines technischen Defekts der Germanwings-Maschine noch nicht aus. "Wenn man eine Ermittlung beginnt, darf man sich nicht nur in eine Richtung begeben", sagte dieser.

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Die erste Black Box, der Stimmenrekorder, wurde bereits gefunden und ausgewertet. Die französische Staatsanwaltschaft schloss aus den Aufzeichnungen, dass der 27-jährige Copilot Andreas Lubitz den Piloten aus dem Cockpit aussperrte und die Maschine absichtlich in einen Sinkflug setzte und so abstürzen ließ.

Ermittler sichern DNA von 78 Opfern

Fünf Tage nach dem Absturz der Germanwings-Maschine haben Ermittler inzwischen die DNA von 78 Menschen gesichert. Die Leichen der 150 Opfer sollten binnen sieben Tagen geborgen sein, sagte Brice Robin, der Staatsanwalt von Marseille. "Es gibt die Hoffnung, das bis Ende kommender Woche zu machen, das ist für uns die Dringlichkeit", sagte Robin. Bisher erhobene DNA-Proben seien noch nicht mit denen der Familien verglichen worden.

Bis Montagabend solle ein Fahrweg für Geländefahrzeuge zur schwer zugänglichen Unglücksstelle angelegt werden. Bislang ist die abgelegene Gegend nur per Hubschrauber oder Fußmarsch erreichbar. Die Fahrstraße soll die Bergung größerer Trümmerteile erleichtern, die nur schwer per Helikopter transportiert werden können. sagte Robin. Bisher werden Ermittler und Bergungskräfte tagsüber mit Hubschraubern in das unzugängliche Absturzgebiet gebracht.

Mögliche Sehschwäche des Copiloten

Andreas Lubitz hatte offenbar Probleme mit den Augen. Wie die Zeitungen New York Times und Le Figaro übereinstimmend berichten, soll sich der Copilot deswegen in ärztlicher Behandlung begeben haben. Le Figaro zufolge soll sein Sehvermögen um 30 Prozent eingeschränkt gewesen sein. Die Zeitung bezieht sich dabei auf Informationen eines hochrangigen französischen Beamten.

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Andreas Lubitz war wegen psychischer Probleme in Behandlung. Nun wird diskutiert, welche Krankheit der Copilot der Germanwings-Maschine hatte. Ein Psychiater erklärt, warum diese Frage eine so wichtige Rolle spielt.

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Unklar ist, ob und welche Auswirkungen dies auf den psychischen Zustand hatte. Wie die New York Times schreibt, wurden bei der Durchsuchung von Lubitz' Haus auch Antidepressiva gefunden. Der Zeitung zufolge halten es die Ermittler für möglich, dass die Augenprobleme psychosomatisch waren.

Das sagt die Lufthansa zu den angeblichen Erkrankungen des Copiloten

Die Lufthansa weiß nach eigenen Angaben nichts von einer angeblichen psychischen oder anderen Erkrankung des Copiloten. "Wir haben da keine eigenen Erkenntnisse", sagte ein Firmensprecher auf die Frage, ob das Unternehmen als Muttergesellschaft von Germanwings von angeblichen schweren Depressionen des 27-jährigen Copiloten wusste. Weder sei das Unternehmen von Psychiatern oder Psychologen informiert worden, die einer Schweigepflicht unterlägen, noch von dem Mann selbst. "Deswegen war uns das nicht bekannt", sagte der Sprecher. Auch von Augenproblemen und einem etwaigen massiven Medikamenten-Gebrauch wisse die Lufthansa nichts.

Rätseln über das Kürzel "SIC"

In den nächsten Tagen werden wohl weitere medizinische Details zu Andreas Lubitz bekanntwerden. Das Luftfahrtbundesamt (LBA) hatte beim medizinischen Zentrum der Lufthansa um Einsicht in die Akten des Copiloten gebeten, um sie anschließend an die französische Staatsanwaltschaft weiterzuleiten, die derzeit ermittelt.

Zuvor war bekanntgeworden, dass in der Akte, die dem LBA vorliegt, der Vermerk "SIC" zu finden ist. Lubitz musste regelmäßig untersucht werden. Warum weiß jedoch nur der Fliegerarzt.

Der 27-Jährige war vor dem Absturz in psychiatrischer Behandlung gewesen. Bei der Durchsuchung seines Hauses fanden Ermittler mehrere zerrissene Krankschreibungen - am Tag des Absturzes der Germanwings-Maschine hätte er gar nicht fliegen dürfen. Seinen Arbeitgeber hatte er nicht darüber informiert.

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Unklar ist, warum Lubitz Patient in der Universitätsklinik Düsseldorf war. Eine Sprecherin dementierte Berichte, wonach er eine Depression behandeln ließ. Zu einer möglichen Augenerkrankung wollte sie ebenfalls keine Angaben machen.

Wie die medizinische Tauglichkeit überprüft wird

Verantwortlich für die Überprüfung der medizinischen Tauglichkeit ist das Luftfahrtbundesamt. Um ihre Lizenz behalten zu können, müssen die Piloten ein Mal im Jahr ein entsprechendes Zeugnis ( PDF) erneuern lassen - unter bestimmten Voraussetzungen sogar alle sechs Monate.

Die Piloten müssen eine Reihe von Fragen zu ihrer medizinischen Vorgeschichte mit ja oder nein beantworten. Zwischen Asthma- oder Lungenerkrankungen und dem positiven HIV-Test findet sich auch der Punkt Selbsttötungsversuch.

Anschließend führt ein durch das LBA anerkannter Flugmediziner mehrere Untersuchungen durch - unter anderem zur Sehschärfe. Dem Papier ist jedoch nicht zu entnehmen, ob auch die psychische Tauglichkeit untersucht wird. In einem besonderen Bereich kann der Arzt mithilfe von Kürzeln Einschränkungen notieren. Zum Beispiel:

  • HAL - Gültig nur, wenn Hörhilfen getragen werden
  • OCL - Gültig nur als Copilot
  • SSL - Besondere Einschränkung wie angegeben

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Welche medizinischen Probleme genau hinter diesen Codes stecken, erfährt das LBA nicht. Das unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht.

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