Fukushima:Erschütternde Erinnerung

Am Dienstag bebte in Fukushima wieder einmal die Erde, es gab eine Tsunami-Warnung. Am Ende ging alles glimpflich aus. Allerdings war das bei einem Beben zwei Tage vor der Katastrophe im März 2011 auch so.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Für viele Menschen wurden am Dienstagmorgen um 5.59 Uhr schreckliche Erinnerungen wieder wach: Ein schweres Erdbeben vor der Küste von Fukushima holte am Dienstagmorgen die meisten Japaner aus dem Bett. Mit einer Stärke von 7,4 war es in ganz Ost-Japan zu spüren. In Tokio rüttelte es, wie wenn man mit einem Auto über ein Feld fährt, aber ungewöhnlich lange. Die Behörden gaben wie bei dem schweren Beben der Stärke 9,0, das im März 2011 die Region verwüstete und im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi eine Kernschmelze auslöste, Tsunami-Alarm. Doch diesmal kamen die Menschen glimpflich davon: Die Flutwellen erreichten lediglich eine Höhe von gut einem Meter. Größere Schäden blieben aus.

Seit der Katastrophe von 2011 wird sofort über den Zustand der Kernkraftwerke berichtet

Die Japaner fürchten Erdbeben meist nicht, dafür gibt es zu viele. Aber sie sind sofort hellwach und schätzen ab, wie stark die Erde diesmal erschüttert wird. Ob sie weiterschlafen können oder ihre eingeübten Routinen ergreifen müssen. Akribisch werden die Abläufe für den Katastrophenfall schließlich schon im Kindergarten geübt. In der Präfektur Iwate, deren Küste vom Tsunami 2011 völlig zerstört wurde, überlebten dank der Schulungen damals fast alle Schul- und Kindergartenkinder.

Als am Dienstagmorgen etwa 37 Kilometer östlich der Küste von Fukushima der Meeresboden bebte, waren die Kinder noch zu Hause. Die Automatismen aber liefen: Das Fernsehen schaltete sofort auf vorinstallierte Kameras auf Fernsehtürmen und in Häfen um. Ein Sprecher forderte die Küstenbewohner auf, sich sofort in Sicherheit zu bringen - und jene zu wecken, die vielleicht noch schliefen. Mehr als 10 000 Menschen mussten ihre Städte und Dörfer verlassen. Selbst die Zeiten, wann der Tsunami wo eintreffe, wurden vorausgesagt. Und seit der Katastrophe von Fukushima wird stets auch über den Zustand der Kernkraftwerke berichtet: Am Dienstag fiel im stillstehenden AKW Fukushima II südlich vom Unglücks-Kraftwerk Fukushima I die Kühlung eines Abklingbeckens aus. Eine Stunde nach dem Beben gab der Chef des Krisenstabs bereits eine Pressekonferenz.

Gegen Mittag hob der Erdbebendienst alle Warnungen schon wieder auf, das Beben hat insgesamt 17 Verletzte gefordert, aber kein Todesopfer. Allerdings hatte die Erde im März 2011 zwei Tage vor der Jahrhundert-Katastrophe ähnlich wie am Dienstag gebebt. Weil die Flutwelle damals schwach war, ignorierten viele Menschen die neuerliche Warnung am fatalen 11. März. Von ihnen sind viele in den Fluten umgekommen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: