Facebook:"Bist du in Sicherheit?"

Lesezeit: 2 min

Waldbrände, Amokläufe, Terroranschläge: Facebook will seine Nutzer wissen lassen, ob andere sicher sind. Doch der Safety-Check sorgt auch immer wieder für Panik.

Von Carolin Gasteiger

Die Suche nach Antworten nach dem G-20-Gipfel, bei dem in Hamburg Straßen verwüstet und Hunderte Menschen verletzt wurden, wird noch eine Weile dauern. Fragen gibt es viele, darunter ist auch eine, die vor allem Facebook-Nutzer beschäftigt: Als einige Wochen zuvor ein einzelnes Londoner Hochhaus in Flammen stand, alarmierte das soziale Netzwerk mit seinem Safety-Check die ganze Stadt - nicht aber, als es nun in Hamburg an mehreren Orten brannte. War das richtig? Dazu muss man wissen, dass der Konzern solche Sicherheitsabfragen seit zwei Jahren immer dann auslöst, wenn Nutzer in einer bestimmten Region Begriffe wie "Waldbrand" oder "Erdbeben" verwenden und entsprechende Nachrichten von Dritten, etwa Lokalmedien, verbreitet werden. Die Nutzer dort werden dann über die App gefragt, ob sie sicher sind.

Zum falschen Zeitpunkt gepostet kann die Funktion irritierend wirken

Das passiert automatisch. Bejahen sie, wird Freunden im Netzwerk die Statusmeldung "sicher" angezeigt. Ursprünglich war die Funktion, die 2015 erstmals bei einem Erdbeben in Nepal eingesetzt wurde, für Naturkatastrophen gedacht, wenn sich Betroffene nicht mehr via Handynetz verständigen können. Seit den Attentaten von Paris 2015 hat Facebook die Funktion auch für Anschläge, Amokläufe und Gewalttaten geöffnet. Genau da liegt das Problem.

Denn wann ergibt eine solche Abfrage Sinn? Wann wirkt eine solche Mitteilung in der Timeline beruhigend? Und wann erzeugt sie eher Panik?

Welche Ereignisse abgefragt werden, entscheidet inzwischen ein Algorithmus. Immer wieder schafft das Irritationen; so beschwerten sich Nutzer in Beirut nach einem Selbstmordanschlag, dass kein Safety Check aktiviert wurde. Die Medienpsychologin Sonja Utz vom Leibniz-Institut für Wissensmedien sagt, entscheidend sei der Zeitpunkt, wann Nutzer die Sicherheitsmeldungen ihrer Bekannten erhalten. Wenn Familie und Freunde lesen, dass jemand in Sicherheit sei, noch bevor sie Unglücks-Nachrichten aus klassischen Medien kennen, könne das verstörend wirken. "Der Safety Check sollte je nach Attacke sinnvoll begrenzt werden", fordert Utz von Facebook. Bei Vorfällen wie dem in London sei es beunruhigend, Personen im größeren Umkreis abzufragen. Ein anderes Beispiel für große Verunsicherung durch die Sicherheitsfunktion ist der Amoklauf eines 18-Jährigen 2016 in München, den Facebook als Sicherheitscheck mit dem alarmierenden Namen "Schießerei in München" für das ganze Stadtgebiet veröffentlichte. Solche alarmistischen Meldungen liegen auch daran, dass die Informationen der Nutzer, die den Check mitauslösen, unzuverlässig sind. Zu einem Zeitpunkt, bei dem viele Menschen gerüchteweise von Terror ausgehen, kann ein Safety Check mit dem Titel "Schießerei" oder "Anschlag" unnötig Panik auslösen. Die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Anschlags zu werden, ist generell verschwindend gering. Wer sich aber schon bei dem Verdacht einer solchen Gelegenheit als sicher markiert, suggeriert damit auch eine potenzielle Gefahr. Wie sinnvoll die Funktion ist, hängt letztlich nicht nur von dem Konzern ab, der seine Nutzerdaten Hilfsorganisationen zur Koordination von Rettungseinsätzen weitergeben will. Es hängt genauso davon ab, wie besonnen sie die Nutzer verwenden.

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: