Erdbeben in Mexiko:"Ich dachte, die ganze Stadt würde um uns herum einstürzen"

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Minuten, die sich wie eine Ewigkeit anfühlen: Die Deutsche Jana K. wohnt seit mehreren Monaten in Mexiko-Stadt und beschreibt, wie sie das Beben erlebt hat.

Protokoll von Felicitas Kock

"Als die Erde zu zittern begann, saß ich mit meinem Freund im Wohnzimmer. Wir arbeiteten beide, saßen vor unseren Laptops. Ich dachte zunächst, draußen würde ein schwerer Lastwagen vorbeifahren. Klar, ich habe mit so was keine Erfahrung. Als ich vier oder fünf Jahre alt war, gab es nachts mal ein Erdbeben in Deutschland, aber das ist natürlich kein Vergleich. Mein Freund ist in Mexiko-Stadt aufgewachsen. Man hat noch fast nichts gespürt, da sagte er 'Das ist ein Erdbeben' und wir sind auf die Terrasse gelaufen. Das Beben dauerte dann nicht mal zwei Minuten, aber es kam mir vor wie eine Ewigkeit. Wir haben uns am Geländer festgehalten und ich weiß noch, dass ich kurz dachte, Erschütterungen in dem Ausmaß seien vielleicht ganz normal. Leichtere Erdbeben gibt es hier ja öfter. Aber dann sind die ganzen Menschen auf die Straße gelaufen und haben geschrien.

Wir wohnen in einem größeren Apartmenthaus im Viertel La Roma. Von der Terrasse aus hat man einen guten Blick auf die Straße. Plötzlich wurde das Geschrei für einen kurzen Moment wahnsinnig laut, dann hat es gerumst und auf der gegenüberliegenden Straßenseite, ein paar Meter die Straße runter, ist ein Haus in einer riesigen Staubwolke zusammengebrochen. Der Boden, die Häuser, einfach alles war in Bewegung. Irgendwann dachte ich, das war's jetzt. Ich dachte, die ganze Stadt würde um uns herum einstürzen.

Erdbeben in Mexiko
:Häuser in Trümmern, Menschen in Angst

Das Erdbeben hat besonders Mexiko-Stadt getroffen. Die Menschen in der Millionenmetropole graben nach Überlebenden - und warnen sich gegenseitig vor austretendem Gas.

Dann war es endlich vorbei. Wir sind in die Wohnung, haben uns Schuhe geschnappt und sind übers Treppenhaus nach draußen gelaufen. Überall standen weinende Nachbarn. Wir wussten nicht so recht wohin - auch, weil es überall nach Gas roch. In Mexiko-Stadt kochen fast alle mit Propangas. Deshalb besteht nach einem Erdbeben erhöhte Explosionsgefahr. Auf einem größeren Platz in der Nachbarschaft haben wir uns hingesetzt und ein bisschen erholt. Mein Freund hatte während des Bebens die ganze Zeit gesagt, unser Haus sei einsturzsicher, um mich zu beruhigen. Als wir auf dem Platz saßen, hat er mir gestanden, dass er sich gar nicht so sicher war.

Später sind wir zurück zur Wohnung. Vor dem eingestürzten Haus nebenan standen immer noch Menschen. Da wurde mir klar, dass in dem Gebäude womöglich noch Leute waren. Daran hatte ich zuvor in meiner Panik gar nicht gedacht. Es hat sich aber niemand an das Haus rangetraut, weil dort ein Chemielabor war - die Leute hatten Angst, dass es zu einer Explosion kommen könnte.

In unserer Wohnung sah es wüst aus, Sachen waren aus den Regalen gefallen und mehrere Wände haben Risse, aber die sind wahrscheinlich nur oberflächlich. Wir hatten Glück. Mit den wichtigsten Sachen, Laptops, Handys, ein paar Klamotten, haben wir uns auf den Weg zu den Eltern meines Freundes gemacht. Sie wohnen im Stadtteil San Angel, das ist ein ganzes Stück entfernt. Eigentlich wollten wir mit dem Fahrrad fahren, aber die Leihstationen laufen mit Strom und Strom gab es keinen. Wir sind dann zwei Stunden zu Fuß gegangen und haben schnell gemerkt, dass das Beben außerhalb der Viertel La Roma und Condesa viel weniger Schaden angerichtet hat. Es ist nicht so, als würde die ganze Stadt in Trümmern liegen und auch in La Roma und Condesa sind nur einzelne Gebäude eingestürzt. Beim Beben von 1985 war das viel schlimmer. Auch damals waren die beiden Viertel am ärgsten betroffen. Sie liegen geografisch am tiefsten und sind auf schlammigem Boden gebaut, deshalb hat ein Erdstoß hier eine besonders heftige Wirkung. Man merkt in der ganzen Stadt, dass die Erinnerungen an damals jetzt wieder hochkommen. Für manche ist das Beben, das gerade passiert ist, dadurch doppelt schlimm.

Was mich beeindruckt, sind die Menschen, die jetzt ihre Stadt am Laufen halten. Alle helfen bei der Suche nach Verschütteten, warnen vor ausströmendem Gas oder regeln den Straßenverkehr. Auch viele unserer Freunde helfen mit. Wir bleiben erst mal bei den Eltern meines Freundes. Sein Vater wollte eigentlich Geburtstag feiern, er ist 70 geworden. Es ist das zweite Mal, dass an seinem Geburtstag die Erde gebebt hat und er um sein Leben fürchten musste."

Hinweis: Der Name der Protagonistin wurde von der Redaktion geändert.

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