Eislingen-Prozess:Habgier und extreme Gefühlskälte

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Für den Mord an seiner Familie muss Andreas H. lebenslang in Haft. Er wollte an das Erbe - und hatte sich schon eine Wunschliste gemacht.

Bernd Dörries

Sie saßen da wie immer, als das Urteil verkündet wurde. Andreas H. hatte den Mund leicht geöffnet und schrieb mit, Frederik B. hatte seinen Oberkörper nach vorne gebeugt und den Kopf nach unten fallen lassen. So saßen sie zwanzig Prozesstage im Ulmer Landgericht und so nahmen sie auch das Urteil auf. Andreas H., 19, muss lebenslang ins Gefängnis, sein Freund Frederik B., 20, bekam ebenfalls die Höchststrafe und wurde nach Jugendstrafrecht zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Es ist schwer zu sagen, ob ihnen das etwas ausmacht.

Mit "extremer Gefühlskälte" hätten die beiden die Ermordung der Eltern und der zwei Schwestern von Andreas H. geplant, sagte Richter Gerd Gugenhan in der Urteilsbegründung. Mit dem Urteil war das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft gefolgt. Else, 55, Hansjürgen, 57, Ann-Christin, 24, und Annemarie, 22, starben in der Nacht zu Karfreitag vor einem Jahr, getötet mit 30 Schüssen im schwäbischen Eislingen. Mit Waffen, die die beiden Jugendlichen aus dem Schützenheim gestohlen hatten.

Andreas H. und sein Verteidiger Hans Steffan hatten versucht, im Prozess das Bild einer Familie zu zeichnen, die nach außen den Eindruck einer Bilderbuchfamilie machte - in der aber vor allem Andreas unter einem herrischen Vater gelitten habe, von dem er sich letztlich habe befreien müssen. "Natürlich gab es, wie in jeder Familie, mal ein Streitgespräch", stellte das Gericht fest. Aber die Zeugen hätten eine Familie geschildert, die im Großen und Ganzen harmonisch gewesen sei. "Das Bild, das sich der Kammer bietet, ist ein anderes als der despotische Vater, bei dem Andreas nichts galt." Zudem sei dann nicht erklärlich, warum vier Menschen sterben mussten.

Hauptmotiv für Andreas H. sei Habgier gewesen, er habe das Vermögen erben wollen, das mit Grundbesitz und Lebensversicherungen eine Million Euro umfasst habe. Erst wenige Wochen vor der Tat hatte Andreas H. die Vollmacht für ein Konto in der Schweiz bekommen. Das Gericht sah das Motiv der Habgier bei Andreas H. unter anderem durch eine Liste gestützt, die nach der Tat im Zimmer des jungen Mannes gefunden wurde. Dort hatte er sich notiert, was nach den Morden zu erledigen sei, was seine Wünsche waren. "Finanzcheck machen" und "Wohnung aufpimpen" stand unter anderem darauf.

Bei Andreas H. stellte die Kammer die besondere Schwere der Schuld fest, eine Haftentlassung nach 15 Jahren ist dadurch nahezu ausgeschlossen. Außerdem behielt sich das Gericht eine Sicherungsverwahrung vor, über die erst nach Ablauf der Haftstrafe entschieden wird. Andreas H. war zur Tatzeit 18 Jahre alt, sein Freund Frederik 19.

Das Gericht legte nun noch einmal dar, dass auf beide als Heranwachsende das "Erwachsenenstrafrecht anzuwenden ist, es sei denn, die Gesamtwürdigung des Täters ergibt, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand". Dies sah das Gericht bei Andreas H. aber nicht gegeben. Der psychiatrische Gutachter hatte zuvor ebenfalls die Anwendung von Erwachsenenstrafrecht bei Andreas H. empfohlen, falls das Gericht Habgier als Motiv sieht. H.s Verteidiger Hans Steffan will gegen das Urteil Revision einlegen.

Vier Morde aus Freundschaft

Bei Frederik B. seien die Dinge etwas anders gelegen, sagte das Gericht. Zwar hatte auch er einen Wunschzettel geschrieben - sich neue Klamotten und einen Scharfschützenlehrgang gewünscht - materielle Gründe seien bei ihm aber nicht entscheidend gewesen für die Tat; Frederik habe Andreas H. vor allem einen Gefallen tun wollen. "Diese Freundschaft ging über das Leben von vier Menschen hinaus", sagte der Richter. "Bei B. führten verbleibende Zweifel an seinem Entwicklungsstand zur Anwendung von Jugendstrafrecht." Wer von beiden letztlich bei der Tat geschossen hat, vermochte das Gericht nicht mit letzter Sicherheit klären. "Es spricht einiges dafür, dass Frederik B. der alleinige Schütze ist", sagte der Richter. Für die Strafbemessung war die aber ohnehin unerheblich. "Sie beide haben eine schwere Schuld auf sich geladen. Sie können, müssen und sollen an Ihren Persönlichkeitsdefiziten arbeiten."

© SZ vom 1. April 2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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