Ein Anruf bei ...:"Das Auto, in dem man mich gefahren hat, war am Ende rot wie ein Ferrari"

Justus Frantz verliert Fin­ger­kuppe

"Bitte kauf Dir eine neue Brotmaschine." Der Konzertpianist Justus Frantz nach dem Küchen-Malheur in seinem Hamburger Musizierzimmer.

(Foto: Ronald Sawatzki)

Justus Frantz ist ein weltbekannter Dirigent und Pianist. Jetzt hat er sich beim Brotschneiden eine Fingerkuppe abgetrennt. Was das für ihn und seine Karriere bedeutet.

Interview von Martin Zips

Konzertpianist und Dirigent Justus Frantz, 73, zählt zu den bekanntesten Vertretern klassischer Musik in Deutschland. Der Gründer des "Schleswig-Holstein-Musikfestivals" und der "Philharmonie der Nationen" spielte schon früh unter Herbert von Karajan und war mit Leonard Bernstein und Helmut Schmidt eng befreundet. Jetzt trennte sich Frantz in der heimischen Küche an der Brotmaschine versehentlich die Kuppe eines Fingers ab.

SZ: Herr Frantz, wie konnte denn das passieren?

Frantz: Ich kam gerade von einer sechswöchigen Konzertreise aus Südafrika zurück. Meine Frau und ich hatten Gäste eingeladen und ich wollte an der Maschine Brot schneiden. Da ist es passiert. Überall Blut. Mein zwölfjähriger Sohn war weiß wie eine Wand vor Schreck.

Und welcher Finger ist betroffen?

Mein rechter Zeigerfinger! Die Fingerkuppe war plötzlich ab. Auf dem Weg in die Klinik habe ich sie mir einfach weiter drauf gepresst. Ich glaube, das macht man so. Das Auto, in dem man mich gefahren hat, war am Ende rot wie ein Ferrari.

Schrecklich.

Wir haben uns so beeilt. Es dauerte insgesamt auch nur 45 Minuten, da wurde ich gleich behandelt. Schneller ging gar nicht. Und jetzt nehme ich starke Medikamente, damit Knochen und Nerven wieder anwachsen. Aber das ist schon unangenehm. Finger und Füße, das ist doch das Unangenehmste, wenn man Schmerzen hat, finden Sie nicht? Schlimmer als der Kopf.

Und Sie spielen ja nicht nur Klavier, sondern Sie dirigieren auch.

Richtig. Ich hätte jetzt eigentlich verschiedne Mozart-Opern zu dirigieren. Schon ab Sonntag in Jerusalem, Tel Aviv und Be'er Scheva. Normalerweise dirigiere ich mit der rechten Hand. Aber jetzt - das ist furchtbar. Da kann ich nur wie ein Feldherr auftreten. Also wie der Richard Strauss, der sich bei den wahnsinnigsten Orchesterpartien immer eine Hand unter seine Weste gesteckt hat, während er mit der anderen herumwedelte. Das sah vielleicht aus!

Den Taktstock zu zerbrechen, wie es Arturo Toscanini aus Wut über das Orchester tat, das wird Ihnen jedenfalls vorerst nicht gelingen.

So impulsiv wie der bin ich sowieso nie gewesen. Die Ärzte sagen, ich solle meinen Finger die kommenden Wochen möglichst gar nicht bewegen, falls ich künftig weiter als Pianist arbeiten möchte. Die wollen bis zum Wochenende entscheiden, wie es mit mir weitergeht. Und, wissen Sie: Besser ich sage jetzt ein, zwei Dirigate ab und kann später dann noch 300 Klavierkonzerte spielen, als umgekehrt.

Eigentlich sind Sie ja Linkshänder. So wie der armamputierte Pianist Paul Wittgenstein, für den viele Komponisten Stücke nur für die Linke geschrieben haben. Werden Sie sich mit diesen Werken befassen?

Ha! Auch Prokofjew hat sein Klavierkonzert Nr. 4 B-Dur für die linke Hand geschrieben. Und Strauss das Parergon und den Panathenäenzug. Aber kennen Sie die Stücke? Die sind nicht so besonders.

Sollte man in Ihrem Zustand nicht zufrieden sein mit dem, was man bekommt? Auch Wittgenstein hat herumgenörgelt über das, was Ravel ihm geschrieben hat. Da hat Ravel ihn angefahren: "Interpreten sind Sklaven!"

Noch gebe ich meine Hoffnung auf Zweihändigkeit nicht auf. Die Ärzte sprechen von einer 50:50-Chance, dass wieder alles zusammenwächst. Damals, als ich mir mal den Mittelfinger gebrochen habe, ist ja auch alles gut ausgegangen. Mein Rückgrat hat nach dem Bruch zwar deutlich länger benötigt. Aber das ist jetzt auch wieder gut. Ich hoffe! Ich hoffe!

Was hätten Ihnen Ihre Freunde Helmut Schmidt und Leonard Bernstein in dieser wirklich schlimmen Situation geraten?

Lenny hätte gesagt: "Ey Junge, du schaffst das! Es wird alles wieder gut!" Der Lenny war immer optimistisch. Und Helmut Schmidt, der Realist, hätte gesagt: "Richte dich bitte darauf ein, dass du in Zukunft weniger spielen können wirst - und mehr unterrichten. Und, bitte, kauf dir eine neue Brotmaschine."

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