Die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft ist vielleicht der exklusivste Club Berlins. Nur Mitglieder des Bundestags, eines Landtags oder des EU-Parlaments dürfen hier für 180 Euro Jahresbeitrag rein. Der parteiübergreifende Verein bietet in seinem Sitz direkt neben dem Reichstag den idealen Rahmen für Koalitionsgespräche − die Öffentlichkeit hat keinen Zutritt. Keiner kennt die Geschichte des ehemaligen "Reichstagspräsidentenpalais" besser als der Buchautor Helmut Herles.
SZ: Herr Herles, wie sieht es denn hinter dem berühmten Balkon der Jamaika-Sondierer aus?
Herles: Ehrlich gesagt hässlich. Direkt hinter dem Balkon ist der Kaisersaal. Scheußlich pseudomodern eingerichtet.
Passt das nicht eigentlich sogar ganz gut zu Christian Lindner?
Das geht mir zu weit. Die haben sowieso vor allem in den anderen Räumen verhandelt, in angenehmer Wohnzimmeratmosphäre. Dort ist alles sehr wilhelminisch-repräsentativ. Das Gebäude war ja ein Geschenk des Kaisers an das Parlament.
Das ehemalige "Reichstagspräsidentenpalais" in Berlin.
Eigentlich ein perfekter Ort für Sondierungsgespräche.
Dennoch kam Jamaika in den Räumen einfach nicht zustande.
Und dort unterhält man sich entspannter als auf den Fluren des Bundestags?
Würde ich schon sagen. In dem Haus geht es sehr diskret zu. Wenn nicht gerade sondiert wird, dürfen Abgeordnete Gäste mitbringen. Meistens Lobbyisten, manchmal Journalisten wie mich. Am Eingang gibt's eine elektronische Anzeige, da kann jeder beim Reinlaufen sehen, aha, Abgeordneter X trifft sich gerade im Raum "Hessen" mit dem Sprecher der Automobilindustrie. Innerhalb des Clubs herrscht also schon eine gewisse Transparenz.
Gibt's auch Alkohol?
Sicher. Im Keller gibt's eine Kneipe in altem hannoverschen Stil. Mit Butzenscheiben und Karikaturen an den Wänden. Das Gebäude steht ja vor allem für Zerstreuung, gemütliches Beisammensein und Networking. Und dort unten stand jahrelang der legendäre Ladiner "Ossi" Osvaldo Cempellin hinter der Theke. Die vertrauenswürdigste Person im ganzen Regierungsviertel, heißt es. Irgendwann fanden die Vornehmen im Club das Prinzip Kneipe aber zu vulgär. Auf dem Hinweisschild steht seither "Kommunikationszentrum".
Komisch, dass es der FDP da nicht gefallen hat.
Ja, merkwürdig. Die Speisekarte ist immerhin sehr exquisit. Und unten vor der Tür steht ein Zerberus im Dress der Bundestagssaaldiener. Wenn da einer in Shorts ankommt, bittet der ihn höflich, sich umzuziehen − und weist ihn die Treppe hoch.