Drogenkrieg in Mexiko:Revier des Schreckens

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Schüsse, Explosionen, Flammen: Im mexikanischen Monterrey sterben mehr als 50 Menschen bei einem bestialischen Angriff. Vieles deutet auf rivalisierende Drogenbanden und ihre Söldner hin. 40.000 Mexikaner sind in dem Krieg der Rauschgiftkartelle bereits gestorben - und die Liste des Grauens wird immer länger.

Peter Burghardt, Buenos Aires

An einem heißen Nachmittag im mexikanischen Drogenkrieg fuhren sechs Männer vor einer Spielhölle in Monterrey vor und richteten ein Massaker an. Mit Waffen und Mundschutz stürmte das Kommando am Donnerstag gegen 15.30 Uhr das Lokal Casino Royale im Norden des Landes und schrie die ungefähr 150 Gäste an, sie sollten verschwinden. Zeugen berichten von Schüssen und Explosionen, die Angreifer hatten offenbar Granaten dabei, möglicherweise auch Benzin und Molotowcocktails. Bald erfasste ein Feuer das Gebäude.

Helfer nach dem Anschlag in Monterrey, Mexiko: Terror und Barbarei. Wer waren die Täter? (Foto: REUTERS)

Besucher flüchteten von Automaten und Roulettetischen zu den Notausgängen, doch die Türen waren versperrt. Manche suchten panisch Schutz in den Toiletten, tödlichen Fallen. Wenig später waren mindestens 52 Menschen tot, verbrannt oder erstickt im bisher schlimmsten Anschlag auf Mexikos Zivilisten.

Präsident Felipe Calderón schrieb auf Twitter von "Terror und Barbarei". Wer waren die Täter?

Namen gab es zunächst keine, am Freitag waren noch nicht einmal alle Opfer gezählt und geborgen. Doch angesichts der Zustände beim südlichen Nachbarn der USA deutet vieles auf die rivalisierenden Drogenkartelle und ihre Söldner hin, auf das sogenannte organisierte Verbrechen. Seit Jahren bekämpfen sich Rauschgiftkartelle untereinander und mit Polizei und Armee.

40.000 Mexikaner sind gestorben, seit der konservative Staatschef Calderón 2006 Zehntausende Polizisten und Soldaten auf die Straßen schickte. Die Liste des Grauens wird immer länger. Ständig werden Gemetzel gemeldet und Massengräber entdeckt, im Bundesstaat Tamaulipas fanden Ermittler im September 2010 auf einer Ranch 72 Leichen. Vor allem Städte wie Ciudad Juárez, Culiacán und auch Monterrey verkamen zu Feldern einer Schlacht ohne Fronten.

Macht über die Märkte von Kokain, Marihuana und Pillen

Immer wieder trifft es Unbeteiligte. 2008 wurden bei einem Angriff mit Handgranaten auf einem Platz in Calderóns Heimatstadt Morelia acht Passanten getötet. Erst vor wenigen Tagen musste ein Fußballspiel im Stadion von Coahuila abgebrochen werden, weil Gangs einander beschossen. Fast immer geht es um die Macht über die Märkte von Kokain, Marihuana und Pillen. Um Routen Richtung USA, dem größten Abnehmer des Stoffs und den größten Lieferanten von Mordwerkzeugen. Oder um weitere Geschäfte wie Glücksspiel, Menschenhandel, Geldwäsche. Am Mittwoch griffen Banden das Casino Caliente eines Politikers und Unternehmers in Saltillo an. Jetzt traf also diese mörderische Attacke das Casino Royale in Monterrey.

Ein Brennpunkt der Gewalt war die einst friedliche Industriemetropole mit ihren mehr als drei Millionen Einwohnern schon vorher. Monterrey liegt 200 Kilometer südlich der US-Grenze, ist von den USA geprägt und strategisch bedeutend. Einige der wichtigsten Firmen Mexikos haben dort ihren Sitz, darunter Eisen- und Stahlfabriken, eine Großbrauerei, die Bank Banorte und der milliardenschwere Zementkonzern Cemex, einer der weltweit führenden Hersteller von Baustoffen. Das hat Monterrey Wohlstand beschert und Hochschulen mit internationalem Renommee, schicke Gebäude wuchsen in den Wüstenhimmel. Die Lebensqualität galt bis vor wenigen Jahren als überdurchschnittlich hoch und die Kriminalität als relativ gering, auch Geschäftsleute fühlten sich vergleichsweise sicher. Inzwischen ist der moderne Häuserdschungel ein Revier des Schreckens.

Die Kartelle Golfo und Zetas bekriegen sich Straße für Straße. Ihre Auftragskiller blockieren das Leben nach Belieben und säen den Tod. Kein Tag vergeht ohne Horrornachrichten von Erschossenen und Geköpften. Die Regierung reagiert auch jetzt wieder mit den üblichen Parolen. "Wir werden mit der ganzen Stärke des Staates antworten", verspricht Francisco Blake, der Gouverneur des Bundesstaates Nuevo León. "Diese abstoßenden Taten verpflichten uns dazu, ohne Skrupel auf dem Kampf gegen diese kriminellen Banden zu beharren", verkündet Präsident Calderón, erließ Staatstrauer und rief seinen Sicherheitsstab zusammen.

Doch die meisten Mexikaner halten seine militärische Taktik für katastrophal gescheitert und Politik und Justiz für bestechlich. Auch Washington ist zunehmend beunruhigt und steckt wie bereits in Kolumbien Milliarden Dollar in die Militärhilfe. Experten fordern immer wieder, über eine Freigabe von Drogen nachzudenken, um den Preis und mithin die Gewinne der Dealer zu senken.

Die Auftragsmörder im Casino Royale von Monterrey brauchten nur zwei Minuten, um ihr Ziel in Flammen aufgehen zu lassen. Rettungskräfte rissen mit einem Bagger Wände ein und stießen auf verkohlte Körper. Manche Toten hielten noch ihre Mobiltelefone in der Hand.

© SZ vom 27.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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