Dresden:Keine normale Weltkriegsbombe

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Feuer und Rauch im Dresdner Stadtteil Löbtau. (Foto: Marco Klinger/AFP)

Explosion, Brand, Evakuierung: Zwei Tage lang hat der Kampfmittelräumdienst in Dresden mit einem Blindgänger gerungen. Dann erst kam die Entwarnung.

Mit der Entschärfung von Blindgängern hat man in Dresden Erfahrung. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt von britischen und amerikanischen Bombern schwer getroffen. Ein Teil der Munition blieb im Boden, sodass nun alle paar Jahre, wenn irgendwo umgegraben wird, der Kampfmittelräumdienst anrücken muss. Für ganz Sachsen kommt der Dienst auf eine beträchtliche Summe an Einsätzen. 763 waren es allein im Jahr 2017. Beseitigt wurden dabei neben 9,4 Tonnen Bomben gut 128 Tonnen Artilleriemunition, 835 Kilogramm Sprengstoff und mehr als 4269 Waffen.

Wird eine Fliegerbombe entdeckt, haben die Experten zwei Möglichkeiten: den Zünder entfernen oder die Bombe vor Ort sprengen. Eine Routineaufgabe, eigentlich. Nur dass die Sprengmeister diesmal von Anfang an vor einem echten Problem standen, weil sich der Zünder nicht gefahrlos aus dem Sprengkörper entfernen ließ. 8700 Anwohner mussten deshalb in der Nacht zum Mittwoch aus ihren Betten im Stadtteil Löbtau unweit des Dresdner Hauptbahnhofs geholt und in Notunterkünfte gebracht werden.

Am Mittwochabend kam es dann beim Versuch, den Zünder aus der Ferne zu beseitigen, zu einer Teilexplosion der Bombe, die bei Bauarbeiten entdeckt worden war. Dämmmaterial aus Papier und gepresster Pappe, das die Sprengexperten zur Sicherheit rund um den Blindgänger angebracht hatten, geriet in Brand. Noch in der Nacht teilte die Polizei mit, es sei mit einer Verzögerung der Entschärfung zu rechnen. Am Donnerstagmorgen war von einer "schwierigen und gefährlichen Lage" die Rede. Am Mittag baten die Beamten auf dem Kurznachrichtendienst Twitter um Geduld. Das Feuer müsse erst erlöschen und die Bombe abkühlen, ehe die Entschärfung vorangetrieben werden könne.

In den Notunterkünften machte sich um diese Zeit bereits Unmut breit. Carsten Kramer, technischer Leiter der Messe Dresden, sprach am Donnerstagnachmittag von etwa 1000 Menschen, die dort in einem eilig eingerichteten Interimsquartier ausharrten. "Sie sind hier zum Warten verdammt", sagte Kramer der SZ am Telefon. Die Hilfsbereitschaft sei zwar groß. Viele Nachbarn und Freunde würden Brot und Kuchen vorbeibringen, dächten sogar an Tierfutter für die evakuierten Haustiere. Trotzdem: "Die Leute sind genervt, weil sie nicht normal weitermachen können." Auch Carsten Löwe vom Brand- und Katastrophenschutzamt der Stadt bezeichnete die Stimmung als "durchwachsen". Gerade für viele ältere Menschen in den Notunterkünften sei die Evakuierungsaktion eine erhebliche Belastung.

Marcus Bauer, Apotheker aus Dresden, ist nach einer Nacht in der Unterkunft zu einer Freundin gezogen. Er habe bei der nächtlichen Evakuierung seiner Straße nur das nötigste eingepackt, erzählt er. Eine dünne Jacke, seine Brille. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich so lange nicht in meine Wohnung zurück darf, sonst hätte ich mehr mitgenommen. Eine Zahnbürste zum Beispiel", sagt der 32-Jährige, dessen Wohnung etwa 700 Meter vom Fundort der Fliegerbombe entfernt liegt.

Während die Sprengexperten zunächst auf das Herabbrennen des Feuers warten wollten, entschieden sie sich am Donnerstagnachmittag doch noch, ein wenig nachzuhelfen. Die Grenze des Zumutbaren für die Betroffenen sei ausgereizt, sagte Polizeisprecher Thomas Geithner. "Wir sind jetzt bereit, das Risiko zu erhöhen." Zunächst kam ein Roboter der Feuerwehr zum Einsatz, der den Brand löschte. Ein Sprengmeister wagte sich in die Nähe der Bombe, stellte aber fest, dass es noch mehr Zeit zur Abkühlung bedurfte. Ein gepanzerter Bagger befreite den Blindgänger schließlich von dem abgebrannten Dämmmaterial. Wie viel Sprengstoff sich zu diesem Zeitpunkt noch in dem beschädigten Sprengkörper befand, war nicht abzuschätzen - deshalb die große Vorsicht. Und dann, um viertel vor fünf am Donnerstagnachmittag kam endlich die Nachricht, auf die alle gewartet hatten: Die fünf Zentner schwere Bombe ist entschärft.

© SZ vom 25.05.2018 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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