Dänemark:Angespannte Lage

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Nur wenige Tage nach dem Tod einer Deutschen hat in Dänemark erneut ein Unbekannter einen Stein von einer Autobahnbrücke geworfen.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Wieder Dänemark, wieder passierte es auf der Autobahn: Ein Unbekannter hat dort am Donnerstagmittag einen Stein von einer Brücke geworfen und einen Wagen getroffen. Er zertrümmerte das Schiebedach, der 77-jährige Fahrer blieb unverletzt. Die dänische Polizei sperrte danach die Autobahn nördlich von Kopenhagen Richtung Hillerød für einige Stunden. Den Täter aber hat sie auch einen Tag später nicht gefasst.

Dass Menschen Gegenstände von Autobahnbrücken werfen, kommt immer wieder vor, in Deutschland etwa wurden am Freitag zwei Gullydeckel auf die A27 in Niedersachsen geschleudert, ein Sattelzug wurde beschädigt, der Fahrer kam mit dem Schrecken davon. In Dänemark aber erregen derlei Vorfälle derzeit besonders großes Aufsehen: Erst am vergangenen Sonntag starb eine 33-jährige Deutsche auf der Insel Fünen, als ein 30 Kilogramm schwerer Betonklotz ihr Auto traf. Ihr 36-jähriger Mann wurde schwer verletzt. Die Frau saß mit ihrem fünfjährigen Sohn auf der Rückbank, als sie erschlagen wurde. Der Junge blieb weitgehend unverletzt. Die Familie aus Recklinghausen war auf dem Rückweg aus ihrem Urlaub in Schweden. Ein oder mehrere Unbekannte warfen den tödlichen Betonklotz von einer Brücke bei Skallebølle auf die E20, die Hauptverbindung zwischen Kopenhagen und Westdänemark.

Offenbar wurden Teile einer Stützmauer entwendet

Die dänische Polizei ermittelt nun wegen Mordes. Am Tatort fand sie drei weitere Betonblöcke, veröffentliche Fotos von den Steinen und bat um Hinweise. Inzwischen ist klar, dass sie offenbar Teile einer Stützmauer waren und wahrscheinlich von einer Baustelle entwendet worden sind. In den vergangenen Tagen habe die Polizei mehr als 200 Hinweise zu den möglichen Tätern und den Steinen erhalten, sagt eine Sprecherin der Polizei Fünen. Die Platten stammten von der dänischen Firma IBF, einem Hersteller von Betonprodukten. Woher der oder die Täter sie genommen haben, sei unklar. "So etwas findet man nicht in einem privaten Garten", sagt die Sprecherin. Einen Kinderstreich hat die Polizei von Anfang an ausgeschlossen, dafür waren die Steine zu schwer. Sie sucht nach einem oder mehreren Erwachsenen, die wohl in einem Auto zur Brücke gefahren sind.

Es ist nicht das erste Mal, dass von dieser Brücke aus auf Autos gezielt wurde. Im Januar traf eine Platte einen Familienwagen, damals wurde niemand ernsthaft verletzt. Viele Dänen sind nun erschüttert, das zeigt die große Anteilnahme: Aus dem gesamten Land haben sich Privatleute, Unternehmen und Gewerkschaften bei der Polizei gemeldet, die eine Belohnung auf die Täter aussetzen wollten. Wie viele Spender es sind und wie hoch die Summe bereits ist, darüber fehlt bisher der Überblick. Allein die Gewerkschaft Business Danmark hat 50 000 dänische Kronen, etwa 6700 Euro, versprochen. "Das ist nicht normal, dass wir rausgehen und eine Belohnung aussetzen", sagte der Vorsitzende Jens Neustrup Simonsen der Zeitung Politiken. Aber in diesem Fall müsse die Zivilgesellschaft eintreten.

An der Brücke über der E20 bringen Polizei und Gemeinde nun vorrübergehend Leuchten an. Søren Steen Andersen, Bürgermeister von Assens, sprach im Radio von einer angespannten Situation. Schon eine Katze in der Dämmerung könne dazu führen, dass jemand hart bremst oder das Lenkrad verreißt. Deswegen gibt es das Licht an der Brücke, "bis die Polizei den Unmenschen gefunden hat, der die Steine geworfen hat".

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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