"Costa Concordia"-Prozess:Gericht konfrontiert Schettino mit Schiffskatastrophe

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Lange haben die Opfer auf die juristische Aufarbeitung der Costa Concordia-Havarie gewartet. Nun steht der Unglückskapitän Schettino vor Gericht. Die Anklagepunkte: Mehrfache fahrlässige Tötung, Körperverletzung und Verlassen des Schiffes noch während der Evakuierung.

Im Prozess um das Kentern der Costa Concordia hat das Gericht den Kapitän Francesco Schettino mit dem Geschehen der Unglücksnacht konfrontiert. Mehr als eine halbe Stunde lang bekam der Italiener am ersten ganzen Prozesstag in Grosseto zu hören, welche Fehler nach Auffassung der Ermittler zur Katastrophe des Kreuzfahrt-Riesen mit 32 Toten führten.

Die Anwälte des Kapitäns hatten vor der Verlesung der Anklageschrift gefordert, Schettino nicht für die Fehler seiner Crew zur Rechenschaft zu ziehen. "Schettino ist sicher verantwortlich für seine Handlungen", sagte sein Anwalt Donato Laino. "Aber er kann nicht für die Fehler der anderen geradestehen."

Francesco Schettino war braun gebrannt und in dunklem Anzug vor Gericht erschienen. Die Verlesung der Anklagepunkte verfolgte der einzige Beschuldigte mit verschränkten Armen und auf Anweisung des Richters im Stehen. Das Schriftstück zählt unter anderem alle 32 Opfer der Katastrophe auf und beschreibt ihr Schicksal.

Schettino muss sich unter anderem wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung und Körperverletzung, Havarie und Verlassen des Schiffes noch während der Evakuierung verantworten.

Fünf weitere Beschuldigte hatten sich mit der Staatsanwaltschaft auf Absprachen über das Strafmaß geeinigt. Die Reederei Costa Crociere, zu deren Flotte die Costa Concordia gehört, war dank der Zahlung einer Strafe zunächst einem Prozess entgangen. Die Verteidigung kritisierten dieses Vorgehen.

Für viele Opfer-Anwälte sind die Absprachen zwischen den fünf Beschuldigten und der Staatsanwaltschaft ein Skandal. "Auf der Anklagebank sollte nicht nur der Kapitän Schettino sein", sagte Massimiliano Gabrielli. Sein Kollege Fabio Targa klagte: "Es ist tief ungerecht, dass Personen, die schwere Schuld haben, quasi ohne Strafe davonkommen." Das Gericht in Grosseto entscheidet am kommenden Samstag, ob es die geplanten Absprachen über das Strafmaß zulässt.

Vor der Anklageverlesung hatten sich die Richter mit langwierigen Verfahrensfragen beschäftigt. Der Prozess um das Drama war direkt nach dem Auftakt vergangene Woche wegen eines Anwaltsstreiks in Italien verschoben worden. Schettinos Verteidiger beantragten erneut eine ausgehandelte Strafe von drei Jahren und fünf Monaten für ihren Mandaten. Der Antrag wurde jedoch abgelehnt. Mit einem solchen Versuch waren sie schon in den Voranhörungen gescheitert. Anwalt Domenico Pepe betonte, Schettinos einziger Fehler sei es wahrscheinlich gewesen, zu sehr der Crew vertraut zu haben.

Die Costa Concordia war im Januar 2012 zu nahe an die Toskana-Insel Giglio herangefahren, hatte einen Felsen gerammt und war havariert. Bei dem Unglück starben 32 Menschen, unter ihnen auch zwölf Deutsche. Zwei Opfer werden noch immer vermisst.

Dem Unglückskapitän Schettino drohen mehrere Jahre Haft. Die Anklage sieht in ihm den Hauptverantwortlichen für das Drama. Nach Ansicht von Staatsanwalt Francesco Verusio bestehen an Schettinos Schuld keine Zweifel, nur die Höhe der Strafe müsse festgelegt werden. "Wir sind optimistisch, dass der Prozess in kurzer Zeit zu Ende geht, innerhalb der ersten Hälfte des Jahres 2014", sagte er. Angesichts von mehr als 400 Zeugen und einer langen Liste von Nebenklägern könnte sich das Verfahren jedoch hinziehen.

© Süddeutsche.de/dpa/anri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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