Brandkastastrophe in Sibirien:"Warum erzählen sie uns nicht die Wahrheit?"

Lesezeit: 2 min

Demonstrationen vor dem Einkaufszentrum in Sibirien, wo am Sonntag bei einem Großbrand 64 Menschen ums Leben gekommen sind. (Foto: dpa)
  • Mehr als 40 Kinder und 20 Erwachsene sind bei der Brandkastrophe in der sibirischen Stadt Kemerowo ums Leben gekommen.
  • Die Angehörigen der Opfer zweifeln die offizielle Zahl der Toten an.
  • Russlands Präsident Putin besuchte den Ort des Unglücks und kündigte an, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Wladimir Putin ist zum Trauern nach Kemerowo gekommen. In der sibirischen Stadt, mehr als 3500 Kilometer von Moskau entfernt, sind am Sonntag bei einem Feuer in einem belebten Einkaufszentrum nach offiziellen Angaben 64 Menschen ums Leben gekommen. 41 von ihnen waren demnach Kinder.

An einem improvisierten Mahnmal aus Blumen, Stofftieren und Luftballons legt der russische Präsident Blumen nieder. Angesichts der vielen toten Kinder "ist einem zum Heulen zumute", sagt Putin. Doch er verbleibt nicht lange im Modus der Trauer. Man werde die Verantwortlichen für das Unglück zur Rechenschaft ziehen, kündigt der Präsident an. Die Ursache für das verheerende Feuer sieht er in "krimineller Nachlässigkeit" und "Schlampigkeit". "Das hier sind keine bewaffneten Auseinandersetzungen. Das ist kein unerwarteter Methangas-Ausstoß. Menschen, Kinder kamen hierher, um sich zu entspannen", so Putin.

Der Präsident stützt sich auf die ersten Ergebnisse der russischen Behörden, die versuchen aufzuklären, wie es zu der Katastrophe kommen konnte. Die Ermittler stellten "schwerwiegende Verstöße" gegen Bau- und Nutzungsvorschriften fest. Vier Verdächtige wurden deshalb bereits festgenommen, unter ihnen der Pächter der Räumlichkeiten, aus denen der Brand ausgegangen war, und der Chef des Unternehmens, das die Shoppingmall verwaltet.

Brandkatastrophe
:Dutzende Tote bei Brand in sibirischem Einkaufszentrum

Bei dem Unglück wurden 64 Menschen getötet, 41 davon waren Kinder. Drei Personen wurden im Zusammenhang mit dem Feuer festgenommen, darunter auch der Direktor .

Die Rekonstruktion hat ergeben, dass das Feuer am späten Sonntagnachmittag in einem Kinosal in der obersten Etage des Einkaufszentrums ausbrach. Es erfasste nach und nach eine Fläche von mehr als 1000 Quadratmetern in dem dreistöckigen Gebäude, ehe es nach mehr als zwölf Stunden von der Feuerwehr gelöscht werden konnte.

Nach Angaben der Ermittler waren die Notausgänge des Zentrums illegalerweise blockiert, außerdem sei der Feueralarm defekt und die Lautsprecheranlage abgeschaltet gewesen. Viele Kinder seien in dem Kino gefangen gewesen. Zudem sei das für die Sicherheit zuständige Personal geflohen, als das Feuer ausgebrochen sei.

Im Stadtzentrum von Kemerowo kamen an diesem Dienstag Hunderte Menschen zu Protesten zusammen. Auch die Frage nach der Verantwortung des Kreml wurde gestellt. "Meine Meinung ist, dass die Regierung, die dieses Land führt, verantwortlich ist", sagte ein Demonstrant in einem Video, das über Twitter verbreitet wurde. So hätten nicht genug Feuerwehrleute und Rettungshubschrauber zur Verfügung gestanden.

Viele Einwohner zweifeln zudem die offiziellen Opferzahlen an. Sie befürchten, dass deutlich mehr als die von den Behörden bisher angegebenen 64 Menschen ums Leben gekommen sind. Angehörige der Opfer sagten dagegen, es würden 85 Menschen vermisst, vor allem Kinder. "Warum erzählen sie uns nicht die Wahrheit?", rief einer der Demonstranten. Ilja Seredjuk, der Bürgermeister von Seredjuk reagierte auf die Proteste mit einer ungewöhnlichen Maßnahme. Er öffnete einer Gruppe von Demonstranten die Türen zu den Leichenhallen der Stadt.

© Reuters/AFP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Europa und Russland
:Kampf der Systeme

Täuschung und Lüge bestimmen zunehmend die internationalen Beziehungen. Die Demokratien Europas brauchen dringend Erfolge, um Putin und Co. etwas entgegenzusetzen.

Kommentar von Stefan Kornelius

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: