Berufung im Fall Amanda Knox:Schlamperei bei der Spurensicherung

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Schmutzige Handschuhe, fahrlässiger Umgang mit den Spuren - ein Gutachten wirft den Ermittlern im Fall Amanda Knox schwere Fehler vor. Und macht der verurteiten Mörderin neue Hoffnung.

Andrea Bachstein, Rom

Keine Spur vom Blut des Opfers auf der angeblichen Tatwaffe, dafür Schmutz auf den Handschuhe der Spurentechniker. Das gehört zu den Ergebnissen eines Gutachtens im Berufungsprozess um den spektakulären Mord an der britischen Studentin Meredith Kercher 2007 in Perugia.

Sie lächelt: Für Amanada Knox und ihre Verteidigung bedeutet das Gutachten Hoffnung - auf einen Erfolg im Berufungsprozess. (Foto: REUTERS)

Die DNS-Spuren sollen demnach wertlos sein, auf denen die Urteile im ersten Prozess beruhen. Die junge Amerikanerin Amanda Knox und ihr Ex-Freund Raffaele Sollecito sind Ende 2009 schuldig gesprochen worden, Meredith Kercher gemeinsam mit einem dritten Täter ermordet zu haben.

26 Jahre Haft verhängte das Schwurgericht von Perugia für Amanda Knox, die durch den Prozess zum Medienstar wurde. 25 Jahre Haft erhielt Raffaele Sollecito. Gegen ihn sei das Hauptindiz zusammengebrochen, sagte seine Anwältin Giulia Bongiorno nach Vorstellung des neuen Gutachtens am Montagabend.

Es war der Verschluss des BHs von Kercher, auf dem laut den ersten Untersuchungen Sollecitos Erbmaterial gefunden wurde. Den beiden Experten der römischen Universität Sapienza zufolge könnte die DNS aber durch Schlampereien bei der Spurensicherung erst nachträglich dorthin gekommen sein.

Als nicht zuverlässig werden im Jahr 2007 festgestellte Resultate von dem jetzigen Gutachten eingeschätzt, weil Sorgfaltsregeln der wissenschaftlichen Spurensicherung nicht eingehalten worden sind. So waren zu viele Leute am Tatort, die Spuren verteilen und verwischen konnten, die Ermittler trugen nicht immer Masken, sie nahmen mit derselben Watte mehrere Blutspuren auf und verwendeten nicht immer Pinzetten.

"Für uns ist das ein guter Tag", kommentierte Edda Mellas, die Mutter von Amanda Knox, die Ergebnisse, "wir kämpfen aber weiter, bis sie aus dem Gefängnis kommt." Sie und die übrige Familie von Knox kommen, wann immer es möglich ist aus den USA, um dem Prozess zu folgen. Knox und Sollecito haben von Anfang an ihre Unschuld beteuert. Sie seien beide nicht am Tatort gewesen zur fraglichen Zeit, sondern in der Wohnung Sollecitos.

Widersprüchliche Aussagen

Dort hätten sie getrunken, Drogen geraucht und den Computer benutzt. Allerdings hatte Knox sich zunächst auch widersprüchlich geäußert und einen völlig Unbeteiligten als Tatverdächtigen ins Spiel gebracht. Laut dem ersten Urteil haben Knox, Sollecito und ihr Bekannter Rudy Guede die Studentin Meredith Kercher getötet, weil diese sich weigerte, mit den anderen Sex zu haben. Unter Einfluss von Drogen und Alkohol sollen sie in der Nacht des 1. November 2007 die 21-jährige britische Studentin gequält und ihr die Kehle durchschnitten haben.

Guede, der in zwei Prozessen zu 16 Jahren Haft verurteilt worden ist, soll Kercher vergewaltigt haben, seine DNS wurde in ihrem Körper identifiziert. Die blutige Leiche Kerchers fand man vor dem Bett in ihrer Studentenwohnung. Im selben Haus wohnte als Austauschstudentin die heute 24 Jahre alte Amanda Knox.

Die beiden freundeten sich schnell an, und vor allem Knox soll die Freiheit des Lebens in der Universitätsstadt Perugia in vollen Zügen genossen haben. Dem ersten Urteil zufolge wurde das ihrer Mitbewohnerin Kercher zu viel, und sie machte Knox Vorhaltungen. Deshalb soll Knox Aggressionen gegen die junge Britin gehegt haben.

Am Samstag wird das Gericht über die Zuverlässigkeit des Gutachtens befinden. Dann wird wohl klar, ob es zu einer endgültigen Wende im Prozess gegen Amanda Knox und Raffaele Sollecito kommen wird. Der Fall war zeitweise zum Politikum zwischen Italien und den USA geraten. Sympathisanten von Knox unterstellten der italienischen Justiz Antiamerikanismus, der Prozess werde ungerecht geführt. Die Mordgeschichte wurde schließlich für das amerikanische Fernsehen verfilmt, was bei den Eltern des Opfers Empörung ausgelöst hatte.

© SZ vom 27.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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