Alkopops als Ladenhüter:Die süße Verführung verfängt nicht mehr

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Gegen das Koma-Saufen: Politiker hatten vor fünf Jahren die Idee, Alkopops zu besteuern und so für Jugendliche unattraktiv zu machen. Das ist gelungen.

Varinia Bernau

Sie waren süß, sie waren cool und mit dem Taschengeld eines Teenagers gut zu besorgen: Vor fünf Jahren griff fast jeder Dritte unter den Kindern und Jugendlichen regelmäßig zu Alkopops - jenen Flaschen, auf denen Vibe oder Breezer stand und in denen Soda, Süßstoff und hochprozentiger Alkohol steckten. Heute sind die Alkopops aus dem Handel fast verschwunden.

Vor ihrer Besteuerung waren die Limos mit Alkoholbeimischung gefragt - jetzt verstauben sie in den Supermarktregalen. (Foto: Foto: dpa)

Der Wandel vom Szenegetränk zum Staubfänger im Supermarktregal hängt an 85 Cent. Vor fünf Jahren setzte der Bundestag mit knapper rot-grüner Mehrheit eine Sondersteuer durch. Mit dem Aufschlag stieg der Preis für ein 0,3-Liter-Fläschchen im August 2004 von einem auf knapp zwei Euro.

Der Effekt der Alkopop-Steuer beweist, dass der Gesetzgeber das Trinkverhalten von Jugendlichen durchaus steuern kann: Während zum Zeitpunkt, als die Steuer eingeführt wurde, etwa ein Drittel der 12- bis 17-Jährigen angab, mindestens einmal monatlich Alkopops zu trinken, war es im vergangenen Jahr nur noch ein Zehntel. Das geht aus einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hervor. Auch die Menge reinen Alkohols, die Jugendliche wöchentlich mit den Schnapslimos zu sich nahmen, sank demnach deutlich: Innerhalb eines Jahres von knapp neun auf vier Gramm.

Wo kein Käufer, da kein Angebot

Damit verschwand der Trend ebenso schnell wie er gekommen war. Wo kein Käufer, dort auch kein Angebot: Die Sprirituosenindustrie verzeichnete innerhalb eines Jahres nach Einführung der Sondersteuer Absatzrückgänge von etwa 70 Prozent. Bacardi nahm im vergangenen Jahr seine beiden Rumlimonaden vom Markt. Diageo bietet seinen Smirnoff Ice zwar noch an, schaltet dafür aber keinerlei Werbung mehr. Eine neue Mischung aus Wodka und Apfelsaft verkauft der Getränkekonzern seit kurzem zwar in Österreich, Belgien und Dänemark, nicht aber in Deutschland.

"In verschiedenen Ländern hat sich gezeigt, dass der Alkoholkonsum zurückgeht, sobald der Preis steigt", sagt Gabriele Bartsch von der Deutschen Gesellschaft für Suchtfragen. Sondersteuern wirkten zudem schneller als Aufklärungskampagnen. "Den Preis spürt jeder sofort an der Kasse, aber eine Unterrichtsstunde zu den Gefahren des Alkohols sickert nicht gleich bei jedem durch."

Bier mit Aroma verdrängt Alkopops

Entwarnung will die Suchtexpertin jedoch nicht geben: Noch immer gebe es Wein, auf den in Deutschland keine Sondersteuer erhoben werde, und Bier mit einem im europäischen Vergleich niedrigen Steuersatz. Am liebsten trinken Jugendliche nach wie vor Biermischgetränke, die allerdings einen deutlich geringeren Alkoholanteil haben. Die Brauereien kreieren immer neue Sorten. Und Biere mit Grapefruit- oder Minzgeschmack verkaufen sich immer besser. In den vergangenen fünf Jahren ist der Absatz um insgesamt 60 Prozent gestiegen - allerdings bei Kunden jeden Alters.

Zahlen speziell zu Jugendlichen gibt es nicht. Und damit auch keinen Beleg für das Argument, das Union und FDP vor fünf Jahren gegen die Alkopop-Steuer anführten: Die Jugendlichen würden dann eben etwas anderes trinken, begründeten die Politiker damals ihr Votum gegen die Sondersteuer. Doch auch ein Bericht der Bundesregierung kommt zum Schluss, dass sich gerade Minderjährige kein alternatives Getränk gesucht haben.

Dank Steuer zu teuer

Dass eine Steuer allein Jugendliche generell vor den Gefahren des Alkohols bewahren würde, behaupten nicht einmal die Befürworter. Für entscheidend halten Suchtexperten aber das Signal, das die Regierung mit der Alkopop-Steuer an die Industrie gegeben hat: Alkopops waren die jugendgemäße Verführung zum Trinken. Der Zucker überdeckt den Geschmack des Alkohols und erleichtert die Aufnahme ins Blut.

Mit einer Steuer wirken diese Drinks nun deutlicher weniger verführerisch. Insgesamt trinken Jugendliche heute nämlich etwas weniger als noch vor fünf Jahren - auch wenn einzelne Meldungen von Trinkgelagen, die im Krankenhaus enden, einen anderen Eindruck erwecken. Im vergangenen Jahr gab jeder Sechste unter den 12- bis 17-Jährigen an, mindestens einmal wöchentlich Alkohol zu trinken. Vor fünf Jahren war es noch jeder Fünfte.

© SZ vom 29.07.2009/abis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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