Alarm bei Hochzeit in Ostfriesland:"Gefährlich und hochgiftig"

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Ernstfall im Norden: Einsatzkräfte in Schutzanzügen sichern das Gelände des Paketdienstes im ostfriesischen Uplengen. (Foto: dpa)

In einem Paketzentrum in Ostfriesland ist am Wochenende Gift ausgetreten. Etwa 130 Menschen mussten zur Dekontaminierung - sogar ein Brautpaar. Bürgermeister Enno Ennen erklärt warum.

Von Marc Felix Serrao

SZ: Bei Ihnen in der Gemeinde war am Wochenende "Gift-Alarm", Herr Ennen.

Enno Ennen: Das ist zutreffend.

Wie ist die Lage jetzt?

Aus meiner Sicht ist die Gefahr gebannt.

Die Aufregung ist entstanden, weil im örtlichen Paket-Verteilzentrum aus einem nicht deklarierten Päckchen Gift ausgetreten ist. Natriumselenit.

Ja. Ich wusste bis zu diesem Samstag auch nicht, was das ist. Aber nach der Alarmierung der zuständigen Ortsfeuerwehr war uns schon bei der ersten Inaugenscheinnahme klar, dass es sich um einen Stoff handelt, der gefährlich und hochgiftig ist. Ich bin selbst Mitglied der Feuerwehr und war als Gruppenführer mit angerückt.

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Bizarres Empfangskomitee vor dem Standesamt: In Ostfriesland wurde ein frisch vermähltes Brautpaar von Männern in orangen Ganzkörper-Anzügen abgeholt und unter Quarantäne gestellt.

Und dann?

Wir haben weiträumig abgesperrt. Einige Mitarbeiter vom Paketdienst mussten wegen Atembeschwerden, Übelkeit und Schwindelgefühlen ins Krankenhaus.

Aber damit war Ihr Einsatz nicht beendet.

Nein. Wir haben einen Trupp unter Vollschutzanzügen reingeschickt. Der hat das Gift dann begutachtet, das waren immerhin 25 Kilo. Und das fragliche Paket war schon über die Förderbänder gelaufen.

Das Natriumselenit, das EU-weit als "sehr giftig" deklariert werden muss, klebte womöglich also auch an anderen Paketen?

Das konnten wir nicht ausschließen. Zwei Fahrzeuge waren bereits unterwegs, um die Pakete zu verteilen. Das Krisenzentrum der Polizei hat daraufhin versucht, alle Empfänger zu kontaktieren.

Enno Ennen (CDU) ist seit 2009 Bürgermeister von Uplengen. Als Mitglied der örtlichen Feuerwehr war er beim Gift-Alarm am Wochenende selbst im Einsatz. (Foto: Uplengen.de)

Wie viele Pakete waren betroffen?

Etwa 70.

Eines ging an ein Brautpaar, das statt zur eigenen Hochzeitsfeier nun zur Entgiftung erscheinen musste.

Ja.

Wer hat den beiden das Fest versemmelt? Waren Sie das, Herr Ennen?

Ich kann nicht beurteilen, ob durch unsere Maßnahme die Hochzeit versemmelt wurde, wie Sie das ausdrücken.

"Gift-Paket sprengt Hochzeit in Leer", hieß es bei Radio Hamburg. Das ist natürlich irreführend, schließlich ist nichts in die Luft geflogen.

So ist es. Nach Absprache mit Ärzten und dem Rotem Kreuz wurde die Dekontamination empfohlen. Das lief so ab, dass wir die Leute in eine Turnhalle gebeten haben, wo sie sich entkleiden mussten - natürlich in Duschen und nicht in Gegenwart der Feuerwehrkameraden. Nach Verlassen des sogenannten Schwarzbereichs wurden sie dann neu eingekleidet und ärztlich untersucht. Wir wollten ausschließen, dass das Gift über Anhaftungen an der Kleidung oder der Haut aufgenommen wird. Davon war auch das Brautpaar betroffen.

Und das Brautkleid?

Das ist luftdicht verpackt worden und lagert derzeit in einem verschlossenen Container. In dieser Woche soll ein zertifizierter Fachbetrieb entscheiden, wie wir mit der Kleidung weiterverfahren. Wir hoffen, dass es eine Reinigung geben kann. Auch für das Kleid.

Aber im schlimmsten Fall wird es zerstört.

Falls eine Reinigung nicht möglich ist, wird eine Entsorgung vorgenommen. Das ist zutreffend.

Wäre es nicht angemessen, wenn Sie als Bürgermeister für das Brautpaar Geld sammeln? So ein Hochzeitskleid ist teuer.

Ich habe heute Kontakt mit dem Brautpaar gehabt, und wir haben vereinbart, dass wir uns unterhalten, wenn alles abgearbeitet ist. Es wird sicherlich einen Blumenstrauß des Bürgermeisters geben. Wie die Sache mit dem Brautkleid ausgeht, müssen wir abwarten.

Warum?

Es stellt sich ja die Frage, ob die Polizei einen Verursacher ermittelt, der haftbar und damit Kostenträger der ganzen Sache ist.

Wer schickt denn solche Pakete nach Ostfriesland? Die Preußen?

Dazu kann ich Ihnen keinerlei Angaben machen. Das ist die Baustelle der Polizei.

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