Ägypten:Im Land der Pharmaonen

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Ägyptens Tourismusbranche hat Schwierigkeiten - und deshalb nun eine neue Zielgruppe: Reisende mit Hepatitis C. Helfen soll dabei der Fußballer Lionel Messi.

Von Moritz Baumstieger

Als Ángel Di María, argentinischer Stürmer im Dienste des Fußballvereins Paris Saint Germain, am Dienstagabend den Ball zum 3:0 ins Netz schlenzte, beschlich den Ägypter mit dem Künstlernamen "The Big Pharao" so etwas wie eine böse Vorahnung. "Verdammt seist Du, PSG", schrieb der Blogger auf Twitter, der im Nahen Osten eine kleine Berühmtheit ist. "Wenn Messi morgen nach Ägypten kommt, wird er keine gute Laune haben."

Es kam noch schlimmer. Lionel Messi und sein Team, der FC Barcelona, fingen sich in Paris keine 15 Minuten später noch ein Tor. 0:4, eine schlimme Niederlage für die Dauersieger aus Katalonien, Versetzung ins Viertelfinale der Champions League stark gefährdet. Der geplante PR-Termin mit Messi in Ägypten aber litt nun nicht unter schlechter Laune des Protagonisten. Sondern unter dessen Abwesenheit: In Absprache mit seinem Klub sagte Messi die Reise ab. Er müsse zunächst die Schmach von Paris aufarbeiten.

Der 29-jährige Fußballer sollte in Kairo als das Gesicht einer neuen, recht ungewöhnlichen Kampagne präsentiert werden: "Tour n' Cure", in etwa "Reisen und Heilen" heißt die Initiative, mit der die ägyptische Regierung versucht, den Tourismus am Nil und am Roten Meer wieder anzukurbeln. Mit dem Aufstand gegen den Dauerpräsidenten Hosni Mubarak im Januar 2011 brachen die Übernachtungszahlen ein und erholten sich wegen der unruhigen Lage in den folgenden Jahren nicht. Ende Oktober 2015 vertrieb ein Anschlag der Terrormiliz Islamischer Staat auf einen Ferienflieger auch noch die russischen und damit treusten Gäste. Niedriger als in den Monaten danach lagen die Tourismuseinnahmen in Ägypten seit 20 Jahren nicht.

Damit in all den verwaisten Betten endlich wieder Gäste schlafen und die Staubschichten auf der Ware in den Touristenbasaren nicht noch dicker werden, wirbt Ägypten jetzt um eine ganz neue Zielgruppe: Mit günstigen Angeboten will das Tourismusministerium Hepatitis-C-Patienten aus der ganzen Welt ins Land locken, um sich dort behandeln zu lassen. Die Zahlen, die Tamer Wagih präsentiert, dessen Firma Prime Pharma die Kampagne "Tour n' Cure" für das Ministerium organisiert, dürften sowohl für Krankenkassen, als auch für Privatpatienten verlockend klingen: In Kairo oder Scharm el-Scheich sei eine umfassende Behandlung von Hepatitis C inklusive Reisekosten für gerade mal 5900 Euro möglich, während die Behandlungskosten in Europa bis zu 100 000 Euro betragen würden. Warum die Genesungszeit also nicht in einem Fünf-Sterne-Hotel verbringen - und gleichzeitig das Gesundheitssystem zu Hause entlasten?

Der Staat am Nil hat in der Vergangenheit schon öfter mit vermeintlichen medizinischen Wunderwaffen auf sich aufmerksam gemacht. Im Jahr 2014 zum Beispiel präsentierte das ägyptische Militär allen Ernstes ein Gerät, das entfernt an einen Handmixer aus der Küche erinnerte, aber angeblich in der Lage war, sowohl Aids, als auch Heptatis C in Sekundenschnelle und aus einem Meter Entfernung diagnostizieren und heilen zu können. Das Gerät stellte sich bald als die Quacksalberei heraus, nach der sie von Anfang klang.

Messi soll zu einem neuen Termin kommen: innerhalb der nächsten zehn Tage

Dennoch lobt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Ägypten für die Behandlung von Hepatitis C: Neue Medikamente und eine verbesserte Prävention zeigten Fortschritte. Die sind bitter nötig, denn bisher ist das leberschädigende Virus am Nil stark verbreitet; nach Zahlen des Robert-Koch-Institutes sind 22 Prozent der Ägypter infiziert, in Deutschland liegt die Quote bei gerade mal 0,1 Prozent. Das marode Gesundheitssystem Ägyptens räumte dem Kampf gegen Hepatitis C in den vergangenen Jahren Priorität ein.

Nun will Ägypten die neuen Kuren auch jenen ermöglichen, die harte Devisen mitbringen - angesichts einer Inflationsrate von 30 Prozent keine schlechte Idee. Um die Initiative bekannter zu machen, soll der Werbebotschafter Lionel Messi nun zu einem neuen Termin innerhalb der nächsten zehn Tage einfliegen. Er hat in Ägypten noch etwas gut zu machen: Im vergangenen Jahr stellte er einer Charity-Versteigerung ein paar Fußballschuhe von sich zur Verfügung, nicht wissend, dass der Schuh in der arabischen Kultur als maximal unrein gilt. Ein nationaler Aufschrei war die Folge, "in unserer 7000 Jahre andauernden Zivilisation sind wir Ägypter nicht so beleidigt worden", polterte ein Parlamentarier. Und im Vergleich dazu ist ein 0:4 doch nichts.

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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