Adventszeit: Einfach mal die Klappe halten

Adventskranz

In den USA eröffnet Thanksgiving am vierten Donnerstag im November die Feiertagssaison - in Deutschland der erste Advent.

(Foto: dpa)

Feiertage mit der politisch gespaltenen Familie sind ohnehin schwierig. Zu den üblichen Streitpunkten kommen in diesem Jahr: die gescheiterte Jamaika-Koalition, Me-too, die Flüchtlings-Obergrenze. Experten haben da einen Tipp.

Von Sebastian Herrmann

Die Sondierungsgespräche zur Ausgestaltung der Feiertage nehmen Fahrt auf. Der erste Advent naht, Betriebsweihnachtsfeiern drängeln in den Kalender und über allem schwebt die Frage, wie die Familienweihnacht verbracht wird. Der Verhandlungsplan steckt voller strittiger Punkte: Wo wird gefeiert, zu Hause oder bei den Schwiegereltern? Kommen die Geschwister oder rechnen sie fest damit, ihrerseits besucht zu werden?

Dieses Jahr liegen sogar besonders viele Minen im Adventsgelände. Zum üblichen Festtagszank gesellen sich polarisierende Themen, über die gestritten werden kann, etwa die Frage, wer nun Jamaika versenkt hat: die FDP, die Grünen oder die CSU? Natürlich bieten sich auch die Regierungsscheu der SPD sowie das Thema Flüchtlinge zur Diskussion an oder es ließe sich die vergiftete Debatte über Sexismus fortführen.

In der Frage, wie es politisch gespaltene Familien an Feiertagen miteinander aushalten, lohnt sich ein Blick über den Atlantik. An diesem Donnerstag feiert Amerika Thanksgiving, eines der wichtigsten Familienfeste des Landes - und die Medien quellen über mit Vorschlägen, wie mit Trump-Wählern oder umgekehrt mit Hillary-Fans in der Verwandtschaft umzugehen sei, ohne dass die Fetzen fliegen.

2016 hat das nicht geklappt: Thanksgiving-Dinner in gespaltenen Familien seien um etwa 30 Minuten kürzer ausgefallen als sonst, so eine Studie. Und Weihnachten tauchte das Phänomen der Rache-Geschenke auf: Demokraten provozierten ihre republikanische Verwandtschaft, indem sie als Präsent an linke Organisationen spendeten. Nach solchen Aktionen darf sich niemand beschweren, wenn ein Gewitter losbricht. Strittige politische Themen, so raten Psychologen, sollten im Rahmen von Familienfesten lieber ganz vermieden werden.

Keine Erwartungen, kein Streit

Solche Debatten vergiften nur die Stimmung und bringen die Attackierten dazu, erst recht ihre Überzeugungen zu verteidigen. Wer den männlichen Familienmitgliedern Heiligabend etwa einen Vortrag über toxische Maskulinität hält oder die Frauen über hysterischen Feminismus belehrt, weckt nichts als Wut. Spricht ein Vegetarier anlässlich des Gänsebratens über Massentierhaltung, verbreitet er damit auch eher geringe Festtagseuphorie. Ob er recht hat, ist egal - wer bei moralisch aufgeladenen Themen andere angreift und sich so als besserer Mensch positioniert, erntet Schweigen. Und wer erwartet, zwischen zwei Plätzchen das Weltbild der verirrten Familienmitglieder zu korrigieren, hat ohnehin nicht alle Kerzen am Tannenbaum.

Auch im familiären Festtagskontext gelten ansonsten jene Tipps, die Psychologen für Diskussionen mit Sturschädeln geben. Stets freundlich bleiben; daran denken, dass der andere noch lange kein Unmensch ist, nur weil er anderer Meinung ist; und wann immer mögliche Gemeinsamkeiten suchen. Letzteres fällt hier leichter als in den USA, so unversöhnlich wie dort stehen sich die politischen Lager zum Glück noch nicht gegenüber.

Und selbst dann ist nicht garantiert, dass es friedlich bleibt. Familientherapeuten sagen auf Nachfrage stets, dass Weihnachten so reich an Streitereien sei, weil alle hohe Erwartungen hegen; und wenn es nur jene ist, sich nicht in die Haare zu kriegen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: