Zum Franziskaner:Weiß-blaue Wirtshauskultur

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Das Zum Franziskaner sieht sich als Bewahrer bayerischer Wirtshauskultur. Das kulinarische Glück ist in der Residenzstraße aber nur von kurzer Dauer.

Johanna N. Hummel

Wer in München ein Lokal Traditionsgaststätte nennt, verleiht ihm gleichsam ein Gütesiegel: Bewahrer bayerischer Wirtshauskultur. Ganz oben in der Rangliste der Traditionsgaststätten steht der Franziskaner in der Residenzstraße. Fremde und Münchner sitzen dort, Unscheinbare und Prominente und selbst jene, die auf die Wirtschaft schimpfen. Am späten Vormittag im Franziskaner Brotzeit zu machen, das hat was. Um diese Zeit ist alles frisch, auch der Senftopf auf dem Tisch, Leberkäse (100 Gramm 4,10 Euro) und Weißwürste (das Stück 2,70) kommen den Lobeshymnen, die ihnen gesungen werden, ziemlich nahe.

Der Kini lächelt im Franziskaner. (Foto: Foto: Schellnegger)

Der Münchner betritt den Franziskaner in der Regel von der Residenzstraße her, weil er so direkt in das Poststüberl und in die Schwemme gelangt, wo eine eigene Karte aufliegt für die Brotzeiten oder die Mittagsgerichte, an jedem Werktag eines für 5,90. Es gibt Münchner, die am Donnerstag in die Innenstadt fahren, um die geröstete Leber zu essen, manche tun das schon lange, denn geröstete Leber stand bereits in den 1960er Jahren auf der Karte. So ist das in einer Traditionsgaststätte.

Nun hat der Wirt Ludwig Reinbold zu Beginn des 21. Jahrhunderts den Franziskaner runderneuert. Die Nachkriegs-Imbissbaracke in der Residenzstraße ist verschwunden, im neuen, vertäfelten Poststüberl sitzt man bequem an Holztischen. Im Restaurant, das in der Perusastraße einen zweiten Eingang hat, wurden die Säle und Räume restauriert und mit Wappen, bayerischen Versatzstücken und viel Weiß-Blau dekoriert.

Voll als gäbe es Freibier

Neu ist ein Innenhof mit Glasschiebedach, Wandbildern vom nahen Hofgarten und einer Kunstkastanie. Am Abend wird alles in ein fahles, grünliches Licht getaucht, wie man es im Hofgarten nie gesehen hat. Gäste sitzen dennoch im trüben Zwielicht, weil der Franziskaner fast immer brummt und auch an einem normalen Werktagsabend so voll ist, als gäbe es Freibier. Die schnellen Kellnerinnen und Kellner steuern mit strenger Freundlichkeit durch das Gedränge.

Freibier wird keines ausgeschenkt, sondern Löwenbräu, die Halbe Helles für 4,10, und Franziskaner Hefeweißbier, 0,5 Liter für 4,30. Ordentlich bis mäßig waren die offenen Weine wie Grüner Veltliner, Pinot Grigio oder Beaujolais (0,2 Liter 4,20 bis 6,80). Die Köche scheinen sich auf den Ruhm der Weißwürste und auf nie wiederkehrende Touristen zu verlassen, im Restaurant zu essen, macht nicht immer froh.

Ein paar Glückstreffer gab es, die sanfte Safran-Bouillabaisse mit vielen heimischen Fischen zum Beispiel (5,60) oder die feinsäuerliche Tafel-spitzsülze mit roten Zwiebeln und Blatt-salat (11,40). Die Viertel Ente und die kleine Portion Spanferkel hatten knusprige Haut und saftiges Fleisch (14,20 und 15,80), am mürben Tellerfleisch oder gegrillten Ochsenkotelett gab es nichts zu meckern (13,70 und 19,50).

Beim Wiener Schnitzel (19,90) endete das Glück. Ungewürzt hing es auf dem Teller, die Panade so weich, als sei es lange in der Küche steckengeblieben. Dann die Knödel: Der Leberknödel in stark salzhaltiger Brühe (4,95) enthielt grobe, geschmacksfreie Semmelbrocken; die geriebenen Kartoffelknödel zur Ente und zum Spanferkel waren gummiartig (was war daran gerieben?); und der Semmelknödel zu zwei zarten, aber faden Scheiben Frischlingskeule sah aus wie braune Pappe und schmeckte auch so.

Kein Trost von den Musikern in Lederhose

Beim pappsüßen Blaukraut zur Keule schienen dem Koch überzuckerte Weihnachtsgewürze ausgekommen zu sein. Der langweilige Hirschbraten wurde in einer Sauce mit Waldpilzen aufgetragen, an deren natürliche Herkunft man nach den ersten Bissen kaum glauben konnte (16,20 und 16,90). Die bayerische Küche aber genügt dem Franziskaner längst nicht mehr, es muss auch Südliches herhalten. Die Kaninchenkeule, in Olivenöl durch und durch gebraten, sträubte sich gegen eine solche Verarbeitung und zerfiel in Fasern, die auch die Balsamico-Portwein-Schalotten nicht glätten konnten - die schmeckten nach ordinären Zwiebeln.

Beim Lachsforellenfilet auf Kürbisnudeln wollte der Koch offenbar eine strikte Diät unters Volk bringen, leicht strohige Fischstücke waren auf Nudeln pur gebettet, versetzt mit ein paar Kürbisschnitzen und Parmesanspänen (15,20 und 14,50). Und das Carpaccio vom bayerischen Jungrind lag vor Kälte erstarrt auf dem Teller, ein schweres Limonendressing und ein Berg von Rucola gaben ihm den Rest (12,80).

Also doch Bayerisches? Die Apfelkücherl umhüllte ein dicker Teigmantel, der mit schweren Zuckerkristallen behängt war. Und beim Rahm-Apfelstrudel mit Vanillesauce ließen sich zwischen den Teigplatten nur Spuren von Äpfeln entdecken (6,20 und 6,80). Es gab keinen Trost, schon gar nicht von den beiden Musikern in Lederhosen, die an einem Abend mit Trompete, Tuba und dem Hut fürs Trinkgeld durch die Räume zogen und aufspielten, den Russen "Kalinka" und den Franzosen die Marseillaise. Hier wandte sich der Gast mit Grausen, endgültig.

Zum Franziskaner, Residenzstraße 9, Perusastraße 5, Telefon 2318120, www.zum-franziskaner.de, täglich geöffnet von 9 bis 24 Uhr.

© SZ vom 01.12.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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