Yoga-Messe:Gurus mit Geschäftssinn

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Yoga ist auch in München voll im Trend: Die Yoga-Messe in Freimann ist deshalb ein großer Erfolg. (Foto: Florian Peljak)

Ein kleines Festival für Yogis aus ganz Deutschland: Auf der Yoga-Messe in Freimann treffen sich Anhänger der asiatischen Gesundheitslehre. Und da Yoga im Trend liegt, können die Praktiken gar nicht ausgefallen genug sein.

Von Michael Zirnstein

Zwei schlanke Frauen lächeln sich von Matte zu Matte an. Die eine in der engen lila Hose ruft herüber: "Sag mal, kennen wir uns?" Sagt die andere mit dem taubenblauen Wickelhemd: "Nein, ich denke nicht. Warum?" Erklärt die lila Hose: "Na, weil du mich so anlächelst."

Yoga ist als 2700 Jahre alte Gesundheitslehre definiert worden, als friedlicher Zustand, als Einssein mit sich und dem Kosmos oder schlicht als Liebe. Hier auf der Yoga-Expo in den Mehrzweckhallen des MOC in Freimann ist es ein kollektives, leicht entrücktes Lächeln - als sei der Geist an einem schöneren Ort als der Körper, der zwischen Messeauslegware und Neonbeleuchtung wandert. Man sieht es im Gesicht der drei Männer auf der Bühne, die in einer Yajna, einer Feuerzeremonie, die Messe "an da oben anbinden", wie der Krishna-Gelehrte Saciananada Swami leutselig sagt: Mögen die vielen Yogaschulen, die hier auch aus Werbezwecken zusammenkommen, besonders hell strahlen. Und auch er strahlt und lächelt selig wie ein Kind in der Eisdiele.

In dem mit 70 Menschen gefüllten Raum lächelt zufrieden aus offenen blauen Augen: Denys Levinskyy, der Gastgeber und Erfinder der "Messe für Körper, Geist und Seele". 2010 wirkte er noch etwas verlegen in seinem grauen Anzug, dem man ansah, dass er von einem größeren Mann geborgt war. Damals wohnte der Russe, ein studierter Betriebswissenschaftler, im Münchner Krishna-Tempel, einem Häuschen mit Garten in Obergiesing, in dem er täglich die Bhagavad Gita, die Heilige Schrift der Religionsgruppe, studierte.

Vier Jahre später sieht der 36-Jährige aus wie ein Rapper: Jeans, enger Pulli, lässige Wollmütze. "Heute muss ich niemand mehr mit einem Anzug beeindrucken", sagt er. Seine spirituelle Entwicklungshilfe fiel schon bei der ersten Yogaexpo auf fruchtbaren Boden, als etwa 8000 Besucher die eine Kasse und die Erwartungen förmlich überrannten. "Wir waren damals enthusiastisch, zu enthusiastisch." Im zweiten Jahr wollten Lewinskyy und sein Partner Carsten Ehrhardt auch Messen in anderen Städten anbieten. "Wir hatten große Schulden danach", sagt er. "Doch dann sagten wir uns: Weniger ist mehr, go with the flow, wir machen nur noch, was sich uns von alleine anbietet."

Yoga-Philosophie mit Geschäftssinn eben. 2012 kamen die beiden Unternehmer wieder raus aus den Miesen. Denys Lewinskyys Erfindung, die Yoga-Expo, die größte Yoga-Veranstaltung im Land, hat sich quasi vom herabschauenden wieder zum heraufschauenden Hund gemausert: "Die Leute warten schon", sagt der Veranstalter. "Es ist ein kleines Festival: drei Tage mit Gleichgesinnten, wie ein Tollwood für Yogis aus ganz Deutschland."

Einen wachsenden Markt gibt es auch. Etwa 100 Aussteller wollen - gewinnend lächelnd - Yogis als Kunden gewinnen. Zum Beispiel für T-Shirts und Hosen, die wie der Vertrieb "Spirit in Om" verspricht, "Fengshui zum Anziehen" sind. Da geht offenbar doch einiges ein bisschen durcheinander. Ein Trend dieses Jahr ist die Thai-Yoga-Massage, mit der Körper und Seele in Balance geknetet werden und die trotz des Namens ihren Ursprung in Indien hat.

Die Messe in Freimann ist vor allem eines: kunterbunt. Hier werden Energien behandelt, da Chakras bewedelt, hier giftgrüne Smoothies zum Detoxen geschlürft, dort die Aura fotografiert: Die Grenze zwischen Wissen, Glauben und Hokuspokus verschwimmt. Ob nun die Feet-up-Hocker für Kopfstände oder ein Gurtsystem für die Mauer ("The Great Yoga Wall - die Wand ist mein Guru"): So viel Yogi-Business war noch nie. Auf einem Holztisch liegt ein fülliger Mann. Ein anderer kniet davor und spielt eine unter der Platte angebrachte Harfe. Die Schwingungen - nach den Planeten austariert - lassen den Fülligen vibrieren. Und wie der lächelt!

Wie wohltuend, einmal jemanden wie Michael Forbes zu sehen, der oft etwas streng schaut. Forbes ist so etwas wie die Yoga-Polizei. Als Iyengar-Oberlehrer - sogar im Vorstand dieser vereinsmäßig geführten Yoga-Richtung - geht es ihm um die Reinheit der Lehre. Iyengars nehmen alles sehr genau, dieser Zeh muss dahin gestreckt werden, das Häutchen links neben dem Bauchnabel dorthin geatmet werden. Es ist die hohe Kunst und bringt Uneingeweihte schnell zum Schmunzeln, weil Iyengars windelartige Hosen tragen. Das sei zweckmäßig, um die Ausrichtung der Beine zu überprüfen. Die strengen Iyengars haben es nicht leicht, gegen all die neuen, schicken Yogastile, Yogaschulen und Yogamarken wie Jivamukti oder Air Yoga.

Als Forbes 1985 nach München kam, war dies zwar schon eine Yogastadt, aber mit etwa sechs Schulen noch übersichtlich. Heute seien im Umkreis von 500 Metern um sein 600 Quadratmeter großes Studio mit 16 Lehrern am Goetheplatz mehr als ein Dutzend Studios. Wohl 150 in der ganzen Stadt. "Ich sitze und lass das alles über mich ergehen, weil es eine Verpflichtung ist, nicht unterzugehen", sagt Forbes an seinem Stand. Ihm geht es um Yoga, nicht um Lifestyle. "Es gibt Leute, die fühlen sich sofort bei uns zu Hause. Wer aber ins Yoga geht, um sich zu präsentieren, bei dem kann es schief gehen."

Levinskyy ist froh, die Iyengars dabei zu haben. Forbes ist für ihn einer der wichtigen Lehrer in Deutschland. "Internationale Stars wie bei anderen Veranstaltungen wollen wir nicht holen. Aber wir haben ja auch tolle Leute hier in München wie Patrick Broome oder Christine May, in Deutschland Ron Steiner und Barbra Noh." Erstmals hat er oben noch einen 500 Quadratmeter großen Saal dazugemietet, der Platz für 250 Yogis bietet - selbst das ist am Samstag und Sonntag zu klein. Und im nächsten Jahr will er noch mehr: Das zweite Atrium soll auch noch eine "Veggie Fair" anzubieten. "Eine Messe für vegetarische Ernährung, damit wir auch Nicht-Yogis ansprechen. Und das wird sich dann vermischen." Zusammen lächelt es sich einfach noch schöner.

© SZ vom 21.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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