Zurück-zur-Natur-Betreuung erlebt Aufschwung:Bei Wind und Wetter die Welt entdecken

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Auch bei Regen sind die Buben und Mädchen eines Waldkindergartens im Freien. Für ganz schlechtes Wetter wird ein Bauwagen aufgestellt. (Foto: Christian Endt)

Auch in Dietramszell soll es bald einen Waldkindergarten geben

Von Petra Schneider, Dietramszell

Die Kleinen spielen immer draußen, Spielzeug gibt es nicht - nur das, was die Natur bietet: So einen Waldkindergarten könnte es bald in Dietramszell geben. Der Gemeinderat billigte am Montag einstimmig den Antrag einer Familie aus Großeglsee und einer Erzieherin. Finanziell unterstützen will die Gemeinde das Projekt allerdings nicht. Auch ein Standort steht noch nicht fest: Ein Grundstück im Dietramszeller Wald in der Nähe des Pfarrheimparkplatzes wurde von der Eigentümerfamilie von Schilcher abgelehnt.

Das Konzept sieht vor, dass die Kinder ganzjährig im Freien spielen. Nur bei sehr schlechtem Wetter soll ein beheizbarer Bau- oder Zirkuswagen Schutz bieten. Spielzeug wird den Kindern nicht angeboten; der Wald soll das Material zum Spielen und Basteln liefern und den Kindern Bezug zur Natur, sinnliche Erfahrungen und viel Bewegung ermöglichen. Auch sanitäre Anlagen oder Toiletten gibt es nicht - die Kinder erledigen Bedürfnisse im Freien.

Aufgenommen werden sollen maximal 15 Kinder ab drei Jahren bis zum Schuleintritt. Sie werden von zwei pädagogischen Fachkräften und einer Ergänzungskraft betreut. Auch einzelne Kinder mit erhöhtem Förderbedarf, etwa Entwicklungsverzögerungen oder ADHS, könnten im Dietramszeller Waldkindergarten einen Platz finden. Dieser soll von 8 bis 13.30 Uhr geöffnet sein, in den Ferien wird er an 30 Tagen geschlossen sein. Eltern müssen monatlich zwischen 110 und 140 Euro zahlen. Fünf feste Anfragen gebe es bereits, sagte Monika Schreiner, die das Konzept im Gemeinderat vorstellte. Schreiner ist Erzieherin und arbeitet seit 15 Jahren in Waldkindergärten, zuletzt in Geretsried. "Der Bedarf wäre da, aber einige Eltern halten sich zurück, weil wir noch kein Grundstück haben." Schreiner wünscht sich einen Standort, bevorzugt im Dietramszeller Wald, mit "Bachlauf und öffentlicher Anbindung".

Zweiter Bürgermeister Michael Häsch (CSU) hatte mit dieser Standortbeschreibung Probleme. Ein offener Bach, Fischweiher - wie sähe es da mit der Haftung aus? "In meiner 15-jährigen Praxis ist noch nie etwas passiert", beruhigte Schreiner. Gerade ein Bachlauf sei doch für Kinder etwas sehr Schönes, und das Unfallrisiko sei im Wald nicht höher als in jedem anderen Kindergarten. Natürlich müsse zunächst der Waldbesitzer zustimmen, auch Jäger und Förster würden gefragt. Danach prüfe das Landratsamt das Grundstück und kläre im Fall einer Eignung die Haftungsfragen mit den Grundstücksbesitzern. Weil die Gemeinde eine finanzielle Beteiligung abgelehnt habe, müsse der Bauwagen und die Ausstattung aus Spenden finanziert werden, sagte Schreiner. Natürlich werde für jedes Kind der gemeindlich Anteil gezahlt, "wie in jeder anderen Betreuungseinrichtung auch", betonte Bürgermeisterin Leni Gröbmaier (BLD). Dietramszell sei in Bezug auf die Zahl der Betreuungsplätze "an der Kapazitätsgrenze". Ein Waldkindergarten sei deshalb keine Konkurrenz zu den gemeindlichen Einrichtungen, sondern eine Entlastung. Dietramszell investiert bereits einiges in die Kinderbetreuung: Zurzeit werden im "Haus für Kinder" 73 Kindergartenkinder, zwölf Krippenkinder und 22 Hortkinder betreut. Im Ortsteil Linden gibt es zwei weitere Gruppen, in Ascholding eine. Dort wird heuer das Obergeschoss aufgestockt, im Jahr 2018 soll ein Neubau folgen.

Der Idee der Waldkindergärten stammt aus Skandinavien. In den 1950er Jahren wurden in Dänemark die ersten Initiativen gegründet. In Deutschland fand die Bewegung erst in den 1990er Jahren Anklang, derzeit gibt es etwa 600 Waldkindergärten. Auch in der Region wächst ihre Zahl: Geretsried, Bad Tölz, Königsdorf/Sauerlach, Gaißach, Lenggries und Icking/Irschenhausen bieten entsprechende Einrichtungen. Der Wolfratshauser Verein Mamma Lupa plant ebenfalls einen Waldkindergarten, der im September eröffnen soll.

© SZ vom 15.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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