Wolfratshausen:Verwirrung um Pflanzenschutzmittel

Lesezeit: 3 min

Auf den Flächen des Golfplatzes Bergkramerhof sind jahrelang per Grundbuch-Eintrag verbotene Präparate eingesetzt worden. Warum das nie jemand bemerkt hat, weiß im Landratsamt wie im Rathaus keiner

Von Matthias Köpf, Wolfratshausen

Am Golfplatz Bergkramerhof oberhalb des Wolfratshauser Bergwald sind offenbar jahrelang Pflanzenschutzmittel eingesetzt worden, obwohl dies schon mit der Genehmigung für den Platz vor mehr als 20 Jahren ausgeschlossen worden war. Im Rathaus und im Tölzer Landratsamt herrscht Unklarheit darüber, warum niemand auf der Einhaltung dieses Verbots bestanden hat, das die Stadt Wolfratshausen 1993 mit einem Eintrag ins Grundbuch hatte fixieren lassen.

Damals hatte der Stadtrat gegenüber Grundeigentümer Helmut Danhuber auf einem Eintrag beharrt, der ein faktisches Verbot von Präparaten zur Unkrautvernichtung und zur Pilzbekämpfung sowie eine Beschränkung des Düngereinsatzes am Golfplatz vorsieht. Grund war die Lage des Platzes nahe dem Wolfratshauser Trinkwasserbrunnen. Der unter dieser Voraussetzung genehmigte Golfplatz hatte neun Löcher, erst einige Jahre später wurde er auf die heutigen 18 Löcher erweitert. Für diese zusätzliche Fläche, die zu einem großen Teil auf Ickinger Gemeindegebiet liegt, gilt der Grundbucheintrag ebenso wenig wie für kleinere Teilflächen, die nicht Danhuber gehören, sondern von anderen Eigentümern zugepachtet wurden.

Während das mindestens 70 Meter tiefer dahinströmende und von den Stadtwerken geförderte Grundwasser allen Proben und Expertenaussagen zufolge bisher von den Vorgängen an der Oberfläche unbeeinträchtigt ist, steht der Golfplatz seit mehr als einem Jahr in der Diskussion. Denn dort wurden seit Anfang 2013 Fäkalkeime und Spuren verschiedener Pflanzenschutzmittel gefunden - mitten im Wasserschutzgebiet, das 2008 auf große Teile des Golfplatzes ausgedehnt worden ist. Um welche Pflanzenschutzmittel es sich dabei genau handelt, ist öffentlich bisher nicht bekannt. Nach Angaben der Behörden sind sie teils typisch für die Landwirtschaft, teils für Golfplätze. Manche entsprächen den Regeln des Pflanzenschutzgesetzes oder früheren Sondergenehmigungen, manche aber auch nicht. Dem Verbots-Eintrag im Grundbuch, der 1993 Voraussetzung für die Genehmigung des Golfplatzes war, entsprechen sie alle auf keinen Fall.

Ins Trinkwasser sind offenbar keine Pflanzenschutzmittel gelangt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Stadt hat das Landratsamt und Josef Hingerl, der die Golf-Anlage 2007 übernommen hat, erst im April dieses Jahres auf diesen Eintrag hingewiesen - trotz der da schon mehr als ein Jahr laufenden Debatte. Hingerl hatte zuvor eine Klage eingereicht, um sich vom Landratsamt eine Ausnahmegenehmigung für Pflanzenschutzmittel im Wasserschutzgebiet zu erstreiten. Unter dem Eindruck des Grundbucheintrags hat Hingerl diese Klage nun zurückgenommen. Schon lange vor April hatte er jedoch mehrmals öffentlich geäußert, im Schutzgebiet auf Pflanzenschutzmittel zu verzichten, wie er sie auf den anderen Flächen aber sehr wohl einsetze und auch einsetzen müsse, um seine Anlage angemessen pflegen zu können. Die Stadt hatte darauf nicht reagiert. Zudem hatte die langjährige Umweltreferentin Gaby Reith (Grüne) die Stadtverwaltung regelmäßig nach den Bodenproben gefragt, die auch in dem Grundbuch-Eintrag geregelt sind. Diese Proben werden vereinbarungsgemäß nur auf den Stickstoff-Gehalt, also den Dünger-Eintrag, analysiert und nicht auf die verbotenen Pflanzenschutzmittel, was Grünen-Stadtrat Hans Schmidt heute als fast schon sträflich vertrauensselig kritisiert. Wolfratshausens Bauamtsleiter Dieter Lejko entgegnet, dass man bei einem vollkommenen Verbot schon annehmen müsse, dass es auch respektiert werde. Dünger seien in gewissem Umfang erlaubt, deshalb werde hier kontrolliert. Warum die Stadt den Eintrag erst im April aufs Tapet gebracht hat, kann auch Lejko nicht erklären.

Das Landratsamt, dessen Sachgebiet "Wasser und Boden" für die Kontrolle des Schutzgebiets zuständig ist, wurde nach eigenen Angaben von dem plötzlichen Hinweis der Stadt ebenso überrascht wie Hingerl. In der Bauabteilung des Landratsamts taucht der Eintrag aber sehr wohl in den Akten auf. Solche Grundbucheinträge bei Golfanlagen seien üblich, sagt Abteilungsleiterin Esther Aderhold. Gesichert würden so meist ökologische Ausgleichsflächen oder Wegerechte. Ein Totalverbot aller Pflanzenschutzmittel per Grundbuch ist dagegen zumindest nicht die Regel.

Öffentlich gemacht hat den Passus Landrat Josef Niedermaier (FW) am Rande eines Pressegesprächs. Er bedeute "eigentlich das Aus für den Golfplatz", sagte Niedermaier - für Hingerl ein doppelter Schlag, denn allein diese Aussage wirft den mittlerweile dritten Betreiber bei seinen Bemühungen schwer zurück, die wirtschaftlich von Beginn an problematische Anlage nach vorne zu bringen. Selbst will Hingerl sich derzeit nicht äußern.

Bürgermeister Klaus Heilinglechner (BVW) hat bereits von gemeinsamen Gesprächen über einen Bio-Golfplatz berichtet. Ein völliger Verzicht auf Pflanzenschutzmittel ist nach Auskunft des Deutschen Greenkeeperverbands in Wiesbaden durchaus denkbar. Inzwischen experimentierten in dem Verband organisierte Platzpfleger vielerorts mit solchen Konzepten - je nach lokalen Bedingungen mit unterschiedlichen Ergebnissen. Oft sehe eine Anlage dann etwas ungepflegter aus, was aber meist nur eine bestimmte Art von Spielern abschrecke. In Wasserschutzgebieten müsse man in der Regel ohnehin auf alle Mittel verzichten.

© SZ vom 01.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: