Wolfratshausen:Nicht alle sind Charlie

Lesezeit: 2 min

Bei den Wolfratshauser Grünen wird sehr deutlich über Grenzen von Satire diskutiert

Von Claudia Koestler, Wolfratshausen

Menschenrechte und humanistische Werte wurden am Montag auf Einladung des Ortsvereins der Grünen diskutiert, im Hinblick auf die derzeitige politischen Weltlage. 17 Interessierte waren dazu ins Gasthaus Flößerei gekommen, darunter Gäste der Friedensinitiative, der SPD und Bürger muslimischen Glaubens. Vier Themenblöcke hatten Sibylle Ulbrich und Hans Schmidt vorbereitet: Patriotismus, Vorratsdatenspeicherung, "Sozialneid" und die Frage, was Satire darf.

So weitreichend und vielfältig die Meinungen noch zuvor gewesen waren: Nach mehr als zweieinhalb Stunden Diskussion kristallisierte sich beim letzten Thema eine Art Konsens unter den Anwesenden ab: "Satire darf eben nicht alles, wenn es etwa geschmacklos ist und die religiösen Gefühle verletzt", erklärte Maximilian Pick, Ortsvorsitzender der Ickinger SPD. Das wiederum griff Ulbrich auf: "Die Menschenwürde ist unantastbar, und wenn jemand zu seiner persönlichen Würde seinen Glauben zählt und dieser durch Satire verletzt wird, dann hat Satire Grenzen überschritten." Allerdings schränkte sie die Konsequenz daraus ein: Solcherlei Verletzungen müssten "mit demokratischen Mitteln" gelöst werden. Suzan Jarrar vermutete hinter Satire wie den Zeichnungen von "Charlie Hebdo": "Da geht es nur darum, den Islam zu beleidigen." Und Nabih Maroun fragte sich, "ob die Provokation der Massenmedien unter dem Hinweis auf freie Meinungsäußerung ohne Rücksicht auf die möglichen Folgen" verantwortbar sei. "Dabei nehmen sie Rache wie Kirchenverbrennungen und Ermordung von tausenden Christen nicht nur in Paris, sondern und vor allem in den islamischen Ländern in Kauf."

Unterschiedlicher waren die Ansichten bei der Frage danach, ob und wie viel Patriotismus in Deutschland sein darf. Jarrars Vater war jordanischer Palästinenser, ihre Mutter Deutsche. "Ich würde gerne sagen, Deutschland ist mein Vaterland. Ich fühle mich aber nicht zugehörig, weil ich eine andere Religion habe", sagte sie. Hans Schmidt und Rudi Seibt indes wollten lieber den Begriff "Heimat" verwenden: Vaterland sei "zu militärisch besetzt". Hassan Mouqadim aus Marokko empfand es indes als "traurig", dass viele Deutsche bei dem Wort "Stolz" über ihr Land zuckten. Aus seiner Sicht sei das Image des Landes inzwischen sehr positiv, Tugenden wie Ordnung, Disziplin und Arbeit weltweit geschätzt.

Helga El-Amad, Suzan Jarrar und Leith Jarrar (von links) beteiligten sich an der Diskussion der Wolfratshauser Grünen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Nicht minder kontrovers auch das Thema Vorratsdatenspeicherung: Während Seibt erklärte, diese hätte weder die Morde der NSU noch jene in Paris verhindert, war Maroun von ihrem Sinn absolut überzeugt: "Sie dient der Sicherheit, was habe ich schon zu verbergen?" Christian Hagel schlussfolgerte anders: "Ich möchte, dass mir der Staat vertraut, dass ich ein rechtschaffener Bürger bin. Ich fühle mich nicht respektiert, wenn ich kontrolliert werde." Zudem befürchtete er Missbrauch der Daten für wirtschaftliche Zwecke. Leith Jarrar nannte solch staatliche Kontrolle gar "die Abschaffung der Demokratie". Helmut Groß hat als Ursache des Terrorismus allerdings die westliche Politik ausgemacht: "Solange wir die nicht ändern, wird der Terror zunehmen." Dem pflichtete Suzan Jarrar bei: "Terror ist eine Reaktion auf das, was westliche Politik verursacht hat."

Die Pegida-Bewegung hingegen sei aus Sicht Hagels vor allem "eine Projektionsfläche für diffuse Ängste für ein Solidaritätsgefühl in einer entsolidarisierten Gesellschaft." Gerhard Jakobi zog am Ende des Abends für sich das Fazit: "Die Herausforderung der Stunde ist, nicht mit Hysterie zu reagieren, sondern mit Gelassenheit". Groß ergänzte das: "Und wir müssen wachsam bleiben."

© SZ vom 21.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: