Wolfratshausen:Leiharbeiter werden doppelt geprellt

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Mitten in der Stadt: Am Wasen 3 müssen die sitzen gelassenen Bauarbeiter mehr schlecht als recht hausen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Bis zu vier Betten in einem Zimmer, nackte Wände, keine Schränke: So schlecht hatte ein Sub-Unternehmer seine Bauarbeiter in Wolfratshausen untergebracht. Nun ist er verschwunden - mit den Löhnen.

Von Thekla Krausseneck, Wolfratshausen

Hausnummer 3 am Wasen in Wolfratshausen: Im finsteren Flur steht eine Waschmaschine. Neben einem alten, verdreckten Heizungskasten staubt ein defekter Fernseher vor sich hin, Elektroschrott auch im Esszimmer, wo ein kaputter Herd auf Schränken steht. Es ist mal kühl und zügig, mal heiß und stickig, von Nägeln, die in hölzerne Türstöcke geschlagen wurden, baumeln zum Trocknen aufgehängte Unterhosen.

Nägel spielen eine wichtige Rolle in dem Haus, in dem ein slowenischer Sub-Unternehmer seine Bauarbeiter untergebracht hat: Ein langer, gebogener Nagel hält eine Tür zu; ein junger Bosnier dreht ihn mit dem Daumen beiseite und tritt von einem ins andere Schlafzimmer. Die Ausstattung: zwei bis vier Betten, nackte Wände, keine Schränke oder Regale, stattdessen auch hier wieder: Nägel für Kleiderbügel und Wäsche.

14 Männer leben in dem Haus

In dieser vom Bayerischen Rundfunk als "Bruchbude" bezeichneten Wohnung leben seit fast drei Monaten 14 Männer aus Bosnien, Slowenien und Mazedonien. Das Angebot, in Deutschland zu arbeiten, sei ihnen in ihrer Heimat zugetragen worden, sagt der junge Bosnier, der seinen Namen nicht nennen will. Das laufe so ab: Man werde gefragt, ob man in Deutschland arbeiten wolle; ein Vertrag werde aufgesetzt; ein Bus bringe die Arbeiter an den Einsatzort. Dort stünden Wohnungen bereit: In diesem Fall am Wasen 3 und in der Jochbergstraße 4a (Domizil für weitere acht Arbeiter) in Wolfratshausen. Morgens hole die Firma die Arbeiter ab und bringe sie zu den Baustellen, die diesmal in Penzberg und München lagen. Die Arbeitszeit: Mindestens zehn Stunden an Werktagen, samstags bis mittags.

Für viele der in Wolfratshausen untergebrachten Arbeiter ist das Procedere im Prinzip nicht neu. Der junge Bosnier sagt, er lasse sich schon seit drei Jahren immer wieder auf deutschen Baustellen einsetzen. Eine Premiere aber sei, was ihm jetzt in Wolfratshausen passierte: Der slowenische Sub-Unternehmer sei am 13. März verschwunden, gezahlt habe er noch keinen Cent. Die offenen Summen reichten von 3000 bis 5500 Euro je Person.

Der Unternehmer habe einwandfreie Referenzen gehabt

Dass er Sub-Unternehmer einsetze, sei nichts Ungewöhnliches, sagt Tom Leitner, Chef des gleichnamigen Bauunternehmens, das den verschwundenen Slowenen engagiert hatte. Sie kämen aus Portugal, Rumänien, Ungarn, Slowenien: "Europa ist offen." Ihm bleibe auch gar nichts anderes übrig, erklärt er, in Deutschland gebe es keine Bauarbeiter mehr, schon gar nicht in Wolfratshausen. Die Sub-Unternehmer würden jedoch sehr genau geprüft, es gebe einen Mitarbeiter in der Firma, der mit nichts anderem beschäftigt sei, als Unterlagen zu prüfen. Auch der Sub-Unternehmer, der jetzt spurlos verschwunden ist, habe einwandfreie Referenzen vorweisen können.

Was ihn stutzig mache, sagt Leitner, sei, dass bislang noch kein einziger der Arbeiter persönlich zu ihm gekommen sei: Alles, was er über die Sache wisse, habe er aus der Zeitung. Vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sei er inzwischen angeschrieben worden, jetzt warte er auf die Rechnung. Wenn er die bezahle, gehe er jedoch ein Risiko ein: Möglich, dass der Sub-Unternehmer am Ende doch noch auftauche und seine Rechnung stelle. Es gebe eben noch viele Fragen zu klären, auch für ihn, so Leitner: "Ich bräuchte jemanden, der mich unterstützt." Doch die DGB sei den ganzen Tag nicht zu erreichen.

Der Bürgermeister will sich um eine Lösung bemühen

Einer seiner Mitarbeiter, so erklärte Leitner am Montag spätnachmittags, werde mit gespendetem Geld und Essen zu den Bauarbeitern gehen. In der Wohnung sei er selbst noch nicht gewesen, sagt Leitner; sie werde jedoch allemal besser sein als ein Container auf der Baustelle, in dem solche Arbeiter normalerweise wohnten. Schon vorher seien Arbeiter dort untergebracht worden, Beschwerden habe es nie gegeben. Er miete die Wohnung bereits "seit längerem", sagen auch die Vermieter. Was dann in der Wohnung passiere, davon wisse man nichts.

Auch Bürgermeister Klaus Heilinglechner war nach eigener Auskunft noch nicht bei den Leuten. Er bemühe sich aber zusammen mit Leitner und der zweiten Firma, für welche die Arbeiter tätig waren, der Porr AG aus Österreich, um eine Lösung. Die Männer sollen wenigstens die Fahrt in die Heimat gezahlt bekommen - "damit sie Ostern zu Hause sind". In der Wohnung dürften sie für den Rest der Woche noch bleiben. Heilinglechner sagt, er habe Fotos der Unterkunft gesehen, diese sei "menschenunwürdig". Es würde ihn "schockieren", wenn es in Wolfratshausen noch mehr solcher Wohnungen gäbe.

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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