Was ist Heimat?:Vom juristischen Begriff zum Gefühl

Kreisheimatpfleger Norbert Göttler erklärte, wie sich der Heimatbegriff gewandelt hat. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Von Petra Schneider, Gaißach

Noch vor 14 Jahren sei diskutiert worden, ob der Begriff "Heimatpflege" überhaupt noch verwendet werden solle, angesichts des Missbrauchs und der Ideologisierung, denen er unterworfen gewesen sei, sagte Bezirksheimatpfleger Norbert Göttler beim Kreisbauerntag. Heute erlebe er einen regelrechten "Hype". Heimat werde immer dann wichtig, wenn Verlust drohe, erklärte der Publizist, Schriftsteller und Fernsehregisseur, der Philosophie, Theologie und auch Geschichte studiert hat. Heimatpflege sieht Göttler als "Parallelmodell" zu Globalisierung und Digitalisierung, die man freilich nicht zurückdrehen könne oder wolle.

Der Begriff selbst, so erklärte Göttler weiter, sei subjektiv und habe einen Wandel erfahren: Ursprünglich sei "Heimat" ein rein juristischer Begriff gewesen, der "Heimatrecht" meinte. Wer kein Heimatrecht hatte, und das seien laut Göttler auf dem Dorf die meisten gewesen, durfte nicht Bürgermeister oder Gemeinderat werden, nicht heiraten und hatte keinen Anspruch auf soziale Absicherung.

Bis in die 1860er Jahre galt etwa das Heiratsverbot. Erst mit den Auswandererwellen im 18. und 19. Jahrhundert habe der Begriff "Heimat" eine emotionale Komponente bekommen: Er beschrieb ein Gefühl des Heimwehs, eine Verlusterfahrung. Das Weggehen sei inzwischen aber nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel: Zwei Drittel aller Bayern lebten nicht mehr an ihrem Geburtsort. Der moderne Heimatbegriff bezeichne deshalb keinen topografischen Ort mehr, sondern Netzwerke: Familie, Freunde, ja sogar das Internet könnten zur Heimat werden.

© SZ vom 21.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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