Fun-Sport am Berg:Auf drei Rädern gen Tal

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Der Bockerlclub Isarwinkel wirbt für das handliche Fun-Sportgerät mit einem Schnuppertag am Blomberg.

Von Sabine Näher, Wackersberg

"Das schaut lustig aus! So etwas habe ich noch nie gesehen. Wie heißt das, Bockerl?" Diese Frage ist am Samstagmittag am Fuße des Blomberg unzählige Male zu hören. Die Mitglieder des Bockerlclubs Isarwinkel nehmen es gelassen. Sie sind daran gewöhnt, dass kaum einer ihr Fun-Sportgerät mit drei Rädern kennt. Um den Bekanntheitsgrad zu steigern, veranstaltet der Club seit mehreren Jahren ein Bockerl-Rennen auf der Forststraße zum Blomberg sowie ein "Schnupperfahren" am Wochenende davor.

An diesem Samstag ist das Feiertagswetter so einladend, dass Massen an Neugierigen zum Blomberg strömen. Perfekte Bedingungen für die Club-Mitglieder, die in ihren leuchtend orangefarbenen Jacken gut zu erkennen sind. Gabriele Andrae, Kassenwartin und bayerische Meisterin im Bockerlfahren, sowie Martin Hogrebe, der Schriftführer des Clubs, sind als Erste eingetroffen und laden Bockerl sowie Handschuhe aus. So ein Bockerl hat drei Räder, Bremse, Sitz und Griff, es ist wenig länger als ein Inline-Skate, dafür ist der handliche Sommerrodel geländetauglich.

Die neunjährige Julia hat es gewagt und sich ein Bockerl geschnappt. Es kostet ein wenig Mut, sich auf das Sitzbrett mit drei Rollen zu schwingen. (Foto: Manfred Neubauer)

Kurz darauf stößt Uli Materne dazu, die seit der 2013 am Brenner ausgetragenen Bockerl-Weltmeisterschaft den Titel der Weltmeisterin trägt. Seit 2007 besteht der Club, der um die 50 Mitglieder verzeichnet. "Wir treffen uns jeden Dienstag, 19 Uhr, hier an der Talstation, laufen dann gemeinsam hinauf und kehren oben erst mal ein. Und irgendwann fahren wir in der Dunkelheit mit Helmlicht wieder hinunter", erzählt Hogrebe. Nach verschärftem Training klingt das weniger, eher nach geselligem Beisammensein mit sportlicher Note.

Währenddessen hat Uli Materne ihr erstes "Opfer" gefunden: Julia aus Bad Tölz, neun Jahre alt, traut sich und absolviert ihre erste Bockerl-Fahrt. Noch etwas vorsichtig und ein bisschen wacklig fährt sie die letzten Meter der Rennstrecke hinunter. Und - ganz ehrlich: Wie war's? "Toll!", strahlt sie, schnappt sich das Bockerl und läuft den Berg hinauf, um gleich nochmals zu fahren. Immer öfter betätigen sich die Club-Mitglieder erfolgreich als Animateure. Bald zeigt sich, dass die Vorüberkommenden in vier Kategorien einzuteilen sind: Da gibt es diejenigen, die nur einen leicht verächtlichen Blick, gerne über die Schulter zurück geworfen, für die putzigen Dreiräder übrig haben. Zumeist handelt es sich dabei um Mountainbiker. Dann sind da diejenigen, die im Vorübergehen schon genau herschauen und erkennbar zwischen Neugierde und Zurückhaltung schwanken, sich aber trotz netter Anrede nicht zum Stehenbleiben überreden lassen. Bei der dritten Kategorie gelingt genau das - und dann haben die Isarwinkler schon gewonnen: Wer stehen bleibt, fährt in aller Regel auch. Wobei auffällt, dass es die Kinder und ihre Väter eher zu den wackligen Gefährten zieht als die Mütter. Und schließlich gibt es die letzte, zahlenmäßig unterlegene Gruppe derer, die von sich aus auf die Trainingsstation zustürmen und verkünden: "Ich will das ausprobieren!"

Das Downhill-Sportgerät ist der neueste Schrei. (Foto: Manfred Neubauer)

Für die wenigen Meter des Probefahrens sind Helme nicht nötig; ansonsten ist deren Benutzung aber empfohlen und beim Rennen sogar Pflicht. "Handschuhe sind unabdingbar, lange Hosen und Ärmel sind sinnvoll. Zusätzliche Ellbogenschützer verwenden manche auch", erzählt die Weltmeisterin.

Bei den von versierten Fahrern erreichten Geschwindigkeiten - der Rekord auf dieser Strecke liegt bei 82 Stundenkilometern; im Schnitt werden so um die 60 erreicht - scheint die Helmpflicht mehr als sinnvoll. Größere Unfälle habe es in der Club-Geschichte aber noch niemals gegeben, beteuert Martin Hogrebe. "Mehr als ein paar Hautabschürfungen, wenn's einen doch mal umhaut, haben wir bisher nicht erlebt." Auch beim Probefahren läuft alles ohne Pannen ab; gerade die Kinder haben meist schnell den richtigen Fahrstil heraus. Aber erst einmal bremsen alle kräftig mit den Füßen. Dieser hohe Verschleiß an Schuhsohlen tritt aber nur bei den ersten Fahrten auf: Wer etwas Übung hat, hebt die Füße an und bremst nur noch mit der Bockerlbremse. Doch wenn man die Füße hebt, wird die ganze Angelegenheit recht wacklig. Da ist ein guter Gleichgewichtssinn gefragt.

Als ein zünftiger Wanderer der Generation 60 plus vorüber schreitet, haben Uli Maternes geübte Anmach-Sprüche keine Chance: "Na, i bin z' oid", wendet er ein, ohne den Wanderschritt zu verlangsamen. "Das ist kein Argument: Unsere Clubmitglieder sind zwischen sechs und sechzig; und beim Rennen haben wir regelmäßig Teilnehmer jenseits der siebzig dabei", erzählt Hogrebe. Unterdessen war Materne bei einer chinesischen Wandergruppe, die derzeit von München aus Oberbayern erkundet, erfolgreich: Ein paar Kinder und ein mutiger Vater wagen die Abfahrt, lassen es mit dem einmaligen Versuch aber genug sein.

Ganz anders bei Timo: Der siebenjährige Münchner, den zunächst die Mama animierte mitzufahren, ist auf den Geschmack gekommen. Immer wieder läuft er den Berg hinauf, um zusehends geschickter hinunter zu brausen. "Der fahrt wie der Deifi", bescheinigt ihm die Weltmeisterin. Seine Eltern haben die ersten Male tapfer mitgehalten, doch nun schauen sie dem Sohn lieber zu. Der Vater erkundigt sich allerdings auffällig interessiert nach den Startbedingungen beim Rennen. Es scheint fast, als habe der Club hier zwei Mitfahrer gewonnen, doch die Familie verzichtet auf die sofortige Anmeldung, verspricht aber, es sich zu überlegen.

Tatsächlich signalisiert doch noch ein Mountainbiker Interesse am kleinen Bockerl. Forsch fährt er volles Risiko und legt sich auf der Hälfte der Abfahrt nieder. Blutige Abschürfungen am linken Arm sind die Folge. Die Wunde wird versorgt. Ansonsten kommt der Erste-Hilfe-Kasten aber nicht zum Einsatz. Als nach dreistündigem Einsatz unzähligen Probefahrern der Erstkontakt mit dem Bockerl vermittelt worden ist, wird die Kühlbox geöffnet und mit einem Tölzer Bier auf die erfolgreiche PR-Aktion angestoßen.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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