Von Kindern für Kinder:Von Freundschaft und Vertrauen

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Ein zauberhaftes Bühnenbild und liebevoll gestaltete Kostüme machen den besonderen Reiz bei der aktuellen Inszenierung des Rieder Kindertheaters aus. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Das Rieder Kindertheater feiert mit "Nils Holgersson" Premiere im Kloster Benediktbeuern

Von Sabine Näher, Benediktbeuern

Wenn Erwachsene Theater für Kinder machen, hat das schnell etwas ungewollt Komisches, wenn nicht Peinliches. Die Idee, dass Kinder für ihre Altersgenossen spielen, ist daher bestechend. Man muss bloß die Kinder finden, die ein ganzes Bühnenstück tragen können. Das Rieder Kindertheater hat sie gefunden, wovon man sich bei der Premiere des für Theater adaptierten Kinderbuchklassikers "Nils Holgersson" von Selma Lagerlöf in der Tenne des Zentrums für Umwelt und Kultur in Benediktbeuern überzeugen konnte.

Schwüles Wetter draußen, unter dem Dachgebälk der Tenne Saunaverhältnisse. Doch eine Viertelstunde vor Beginn grollt der erste Donner, kurz darauf prasselt der Regen hernieder; ein erfrischender Luftzug lässt Publikum wie Beteiligte aufatmen. Erste positive Überraschung: Die Bühnenmusik kommt nicht vom Band, sondern wird live gespielt. Aja von Lerchenhorst, mit ihrem Mann Franz von Lerchenhorst Begründerin und Leiterin des Theaters, sitzt selbst am E-Piano. Die Spannung wächst. Kinder aller Altersstufen bevölkern die Tenne, begleitet von Eltern und Großeltern. Endlich wird der Vorhang zur Seite gezogen. Zweite positive Überraschung: Ein liebevoll gebautes Bühnenbild kommt zum Vorschein. Und schon nach kurzer Zeit ist die dritte positive Überraschung zu konstatieren: Die Kinder agieren erstaunlich souverän und verfügen über eine hervorragende Textverständlichkeit. Allerdings begreifen nicht alle sofort, dass das Geräusch des weiterhin auf das Dach prasselnden Regens mehr Lautstärke erfordern würde. Aja von Lerchenhorst ruft vom Klavier aus auf die Bühne: "Du musst schreien, damit man dich versteht!" Regieanweisungen im laufenden Stück erlebt man auch nicht alle Tage, doch im Sinne des Publikums war die Intervention richtig und notwendig.

Fortan läuft alles wie am Schnürchen: Acht Mädels füllen im fliegenden Wechsel fünfzehn Bühnenrollen aus, dank wunderschön gestalteter Kostüme, fantasievoller Schminke und liebevoll arrangierter Haarkunstwerke erst auf den zweiten oder dritten Blick wiederzuerkennen. Die sehr umfängliche Geschichte ist geschickt arrangiert, auf Kernszenen und -figuren eingeschmolzen, sodass Lagerlöfs Botschaft vermittelt wird, ohne die Kinder und ihre Konzentrationsfähigkeit zu überfordern.

Es ist mucksmäuschenstill, als Nils seine Abenteuer erlebt: Da er die Tiere auf dem Hof der Eltern und auch das dort hausende Wichtelmännchen ärgert, wird er von diesem verzaubert. Selbst klein wie ein Wichtel kann er plötzlich die Sprache der Tiere verstehen und will die Hausgans Marten daran hindern, mit den Wildgänsen auf große Reise zu gehen. Er vergisst jedoch, wie klein und schwach er ist und erhebt sich ungewollt mit der Gans in die Lüfte. Zunächst versucht er noch, Marten zur Umkehr zu bewegen, doch dann hilft er der Hausgans in ihrem Kampf, mit den überlegenen Wildgänsen mitzuhalten. Fortan sind beide ein eingeschworenes Team.

Dass man an Herausforderungen wachsen kann, dass man gemeinsam stark ist und überlegene Feinde überwinden kann, diese Erkenntnis wird dem jungen Publikum mehrfach vermittelt. So hilft Nils seinen Reisegefährten, als nachts der hinterlistige Fuchs Smirre übers Eis kommt, um eine Gans zu fangen; später wird er vor dem Fuchs gerettet.

Die Pause bietet mit einem bayerisch-schwedischen Büffet, das die Eltern der Theaterkinder angerichtet haben, eine tolle Überraschung. Man fühlt sich wie auf einem großen Familienfest. Gestärkt geht es in den zweiten Teil, in dem Nils zum "Helden unseres Waldes" ausgerufen wird und schließlich nach Hause zurückkehrt. Die Eltern wollen die "wild gewordene" Gans töten, doch Nils wirft sich dazwischen - und erhält seine menschliche Gestalt zurück. Die Botschaft, dass Freundschaft und Vertrauen nicht nur schön, sondern sogar lebensrettend sein können, ist angekommen.

© SZ vom 20.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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