Vom Heimatfilm bis Donald Trump:Schlaflos in Kochel

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Großes Kino: Das Impro-Duo Birgit Linner und Roland Trescher riss das Publikum in der Kochler Heimatbühne zu Beifallsstürmen hin. (Foto: Manfred Neubauer)

Das Improvisationstheater isar148 rockt die Feier zum 20. Geburtstag des Kinovereins

Von Sabine Näher, Kochel am See

Statt Filmabend oder Kabarett wagte der Kochler Kinoverein zur Feier seines 20-jährigen Bestehens etwas ganz Anderes: Improvisationstheater. "Wir konnten uns halt keine Texte merken, deshalb improvisieren wir jetzt", bringt Birgit Linner, die weibliche Hälfte des Duos Linner & Trescher, dessen Ansatz auf den Punkt. Das heißt im Klartext: Das Publikum gibt ein Thema vor, das die Schauspieler ad hoc spielerisch umsetzen. Aus gegebenem Anlass stand die Vorstellung in der völlig ausverkauften Heimatbühne am Freitagabend unter dem Oberbegriff Kino und Film.

Die ersten Szenen spielen direkt im Kinosaal: Ein Paar, das nebeneinander sitzend krampfhaft jegliche verbale Kommunikation zu umgehen versucht, und eines, das in den Kinosesseln miteinander anbandelt. Das dient den Akteuren wie dem Publikum noch zum Warmwerden. "Gibt es Filme, die eine nachhaltige Wirkung auf Sie hatten?", fragt Roland Trescher darauf die Zuschauer. Der Verweis auf "Und täglich grüßt das Murmeltier" bietet die Vorlage für das endlos wiederholte Morgenritual eines Paares, das mit winzigen Abweichungen mitten hinein in den blutigen Rosenkrieg führt.

Dann eine hitzige Paar-Diskussion: "Dieser Film trifft Männer mitten ins Herz! Du musst mit mir ins Kino gehen!" Schnitt - die beiden sitzen im Kinosessel. Er weint hemmungslos. Sie schaut ihn mitleidig von der Seite an: "Aber das Auto lässt sich doch wieder reparieren! Bernhard, reiß dich zusammen: Es ist ein Auto." "Eben!", entfährt es ihm. Und nun führt eins zum anderen: Er gesteht, das praktische Auto, den Familienkombi, zu hassen. Der Streit eskaliert ("Was, du wolltest den Kombi eigentlich auch nicht haben?") und mündet in eine leidenschaftliche Liebeserklärung: "Komm, lass uns gehen. Ins Autohaus . . . " Eine nur halb synchronisierte Filmszene aus Brasilien ("Wie könnte der Film heißen?" - spontane Antwort aus dem Saal: "Liebe an der Copacabana!") zeigt eine heiße, südamerikanische Eifersuchtsszene, deren "portugiesischer" Teil nur Rückschlüsse aus den heftigen Gesten und dem Tonfall zulässt. Völlig absurd, aber herrlich komisch. Danach wird "ein typisches Cineasten-Thema" erfragt und das Thema "lippensynchron" für einen klassischen Talkshow-Dialog ausgewählt. Aber: Die Szene läuft rückwärts, die Antworten kommen vor den Fragen. Linner und Trescher machen es sich wirklich nicht leicht; das Publikum amüsiert sich bestens. Noch eins drauf setzt die Mutter-Sohn-Szene über das Ehrenamt (der Kinoverein stemmt den täglichen Betrieb rein ehrenamtlich), das in verschiedenen Filmgenres abgespult wird. Beispiel Heimatfilm: "Du machst des! Das hat dei Vatta scho so g'macht und dei Großvatta a!" Wechsel zum Erotikfilm: "Weißt du, ich bin gar nicht deine Mutter." - "Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten . . ." Nicht erst jetzt, aber gerade hier kommt dem Mann am E-Piano, Michael Gumpinger, eine tragende Rolle zu: Meisterhaft untermalt er die Szene mit der passenden Filmmusik, gibt die Stimmung vor, von sich die Akteure tragen lassen können.

Eine wieder ganz andere Seite bringt ein Film von Friedrich Schiller über "Donald Trump und die Flüchtlingsfrage". Birgit Linner gibt den frisch gebackenen Präsidenten, Roland Trescher seine Frau: "Ach, wär' ich deine Tochter bloß!" - "Das Alter hättest du . . . doch die Figur ist wunderschön, drum möcht' ich dich oft nackend seh'n!" Befragt nach einem Filmtitel, bei dem einem das Herz aufgeht, wird "Schlaflos in Kochel" in den Raum gestellt - und als kleines Singspiel aufgeführt. "Hast du die Landschaft gesehen? Es hat geschneit. O sieh, da ist ein Bär! Der ist wohl vom Walchensee heruntergekommen." Schräge Gesangseinlagen, überdrehte Tanzelemente, eine verworrene Botschaft ("Wir müssen schlaflos in Kochel bleiben! Ich möchte Kinder . . .") münden in eine fetzige Schlussnummer: "Schlaflos in Kochel - und der Bär schaut zu".

Jubelnder Beifall! Und eine Zugabe, die alles toppt: Er hält einen pseudowissenschaftlichen Vortrag über das Thema Autokino, den sie genial in aberwitzig durchgeknallte Gebärdensprache umsetzt. Bitte mehr davon!

© SZ vom 23.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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