Szyszkas Klassiker:Mit Leidenschaft zum vierten B

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Die Namensgeberin dieses Klaviertrios ist die Romanfigur Anna Karenina. Und auch sonst beschwören die drei Musiker gerne die russische Seele

Von Reinhard Szyszka

Aus der russischen Literatur ist der Name entlehnt. Anna Karenina, die Titelheldin des berühmten Romans von Leo Tolstoi, hat drei junge französische Musiker - eine Geigerin, einen Cellisten und eine Pianistin - so sehr fasziniert, dass sie sich zum Trio Karénine zusammengeschlossen haben. "Eine dynamische Kombination aus Leidenschaft, Stolz und Temperament in Verbindung mit einer düsteren Seite, mit ihrer Schwäche und der Verzweiflung", so charakterisieren die drei Künstler die Romanfigur Anna Karenina und damit auch sich selbst. Am Samstag lässt sich das Trio Karénine in Icking hören, und es ist sicher kein Zufall, dass eines der Werke auf dem Programm ebenfalls mit russischer Literatur zu tun hat.

Benoît Menut, ein französischer Komponist, hat für das Trio Karénine ein Klaviertrio geschrieben und sich dabei an die Novelle "Dunkle Alleen" von Ivan Bunin angelehnt. Bunin war 1933 der erste russische Schriftsteller, der den Literatur-Nobelpreis erhielt. "Dunkle Alleen" erzählt von einem älteren Mann, der bei einer Kutschfahrt in einer Herberge Station macht und dort zufällig seine Jugendliebe wiedertrifft, die er Jahrzehnte zuvor verlassen hatte. Nach Ansicht des Komponisten "atmet" diese Geschichte "eine gewisse russische Seele". Die Musik zeichnet die Stationen der Handlung nach. Besonders wichtig war dem Komponisten, dass sein Stück genau 14 Minuten dauert - das ist nämlich die Zeit, die man braucht, um die Novelle zu lesen.

Neben den "Dunklen Alleen" wird das Trio Karénine auch große, klassische Klaviertrios von Robert Schumann und Johannes Brahms spielen. Aber das Programm der Franzosen weicht noch ein weiteres Mal vom Mainstream ab: bei den drei Nocturnes von Ernest Bloch, 1924 entstanden. Der Komponist - nicht zu verwechseln mit dem Philosophen Ernst Bloch - war gebürtiger Schweizer, doch hatte es ihn während des Ersten Weltkriegs in die USA verschlagen, wo er höchstes Ansehen genoss. Kaum zu glauben: Neben den drei großen B der Musik - Bach, Beethoven und Brahms - galt Ernest Bloch vielen amerikanischen Klassik-Freunden als das vierte große B. Auch wenn diese Einschätzung zu hoch gegriffen war: die nahezu völlige Vergessenheit, der Bloch anheimgefallen ist, hat er nicht verdient. Umso erfreulicher, dass das Trio Karénine die Gelegenheit bietet, ein Werk des "vierten B" kennenzulernen und sich ein Urteil zu bilden.

Samstag, 24. September, Rilke-Konzertsaal, Gymnasium Icking, Ulrichstraße 1-7, Konzertbeginn 19.30 Uhr, Einführung 18.30 Uhr, Karten kosten 25 Euro, ermäßigt 21 Euro, zum Beispiel bei Schreibwaren Baumgartner, Icking, Buchhandlung Isartal, Ebenhausen, und über München Ticket.

© SZ vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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