SZ-Adventskalender für gute Werke:Plötzlich keine Kraft mehr

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Ein alleinerziehender Vater leidet unter Burn-out und sehnt sich nach einem richtigen Bett

Von Claudia Koestler, Bad Tölz-Wolfratshausen

Erst die Scheidung, dann alleinerziehend und daraus resultierend permanente Geld- und Gesundheitssorgen, bis irgendwann der Körper streikt: Solche Schicksale treffen auch Männer. Markus M. (Name geändert) etwa kümmert sich seit fast neun Jahren um die drei jüngsten Kinder aus seiner Ehe. Der Älteste der insgesamt fünf Kinder ist inzwischen erwachsen und lebt mit eigener Familie. Der Zweitgeborene starb mit zwei Jahren an einem angeborenen, nichtbehandelbaren Herzfehler, bevor er ein Spenderherz erhalten konnte.

Es folgten drei weitere, gesunde Kinder, für die Markus M. bereits liebevoll sorgte, als die Mutter kurz nach der Geburt wieder arbeiten gehen wollte. Doch als sie einen anderen Mann kennenlernte, verließ sie kurzerhand die Familie. Seit mehr als fünf Jahren ist der Ende 40-Jährige deshalb alleinerziehender Vater und versucht den Kindern, eine behütete Kindheit und Jugend zu bieten, trotz aller Schwierigkeiten und trotz allem Trennungsschmerz.

Das aber fordert all seine Kräfte: Als Handwerker arbeitete er zwar wegen der Kinder in Teilzeit, übernahm aber die Nachtschichten, um tagsüber ganz Papa sein zu können. Dann starb zunächst sein Bruder, und im vergangenen Jahr auch noch seine Mutter.

"Das war ein absoluter Schock", sagt Markus M. Denn ihr Tod kam gänzlich unerwartet. Seine Tante hatte sich den Oberschenkel bei einem Unfall gesplittert, seine Mutter wollte sie deshalb im Krankenhaus besuchen, kam dort aber nie an. Als die Familie zu Hause nachsah, fanden sie sie leblos vor, weil aus ungeklärten Gründen ihre Aorta gerissen war.

"Meine Mama fehlt an allen Ecken und Enden, als Vertrauensperson, als Ratgeberin, als Stütze", erzählt Markus M. In einer Vater-Kind-Kur versuchte er deshalb zusammen mit den Kindern, die Trauer zu bewältigen. Doch kaum wieder zuhause, fiel Markus M. erst recht in ein Loch. Die Diagnose: Burn-out. "Es war, als ob jemand mir den Boden unter den Füßen weggezogen hätte", beschreibt er. Der eigentlich kräftige, hochgewachsene Mann war kaum mehr in der Lage, aufzustehen, ganz zu schweigen davon, den Haushalt zu führen. Antriebslos lag er auf seiner alten, durchgelegenen Matratze, denn für ein richtiges Bett hatte es in den vergangenen Jahren wegen der knappen Finanzlage nur für die Kinder gereicht, nicht aber für ihn.

"Da war plötzlich ein Punkt erreicht, als ob ein Schalter umgelegt wird: vom Kümmern und Sorgen und an alles Denken plötzlich zum Nullpunkt, zu keiner Kraft für gar Nichts mehr".

Die Jahre zuvor seien durchaus anstrengend gewesen, erklärt er: "Eigentlich ist man immer nur am Kämpfen, am Versuchen, über die Runden zu kommen". Weil sein Teilzeitberuf nicht genug für das Leben der vierköpfigen Familie einbrachte, musste Markus M. aufstocken. "Und auch dann ist man nur permanent am Schieben, am Schauen, was geht und was nicht, und man versucht obendrein ja auch, seine Sorgen vor den Kindern geheim zu halten - man will ja stark sein für sie". Zu den Geldsorgen kamen Querelen mit der inzwischen geschiedenen Ehefrau ob der Besuchszeiten. "Am Schlimmsten aber war das Gefühl des Verlustes: Erst der Sohn, dann der Bruder, und eben die Mutter".

Der Weg in eine psychosomatische Klinik hilft Markus M. allerdings. Inzwischen geht es dem Vater und Handwerker besser. Im kommenden Monat hofft er, seine Arbeit wieder aufnehmen zu können und zurückzukehren in eine gewisse Normalität des Alltags. "Ich habe gelernt, alles ein bisschen ruhiger angehen zu lassen, ein Problem nach dem anderen versuchen zu lösen und nicht alles auf einmal schaffen zu wollen." Deshalb gibt er sich zuversichtlich, "dass es nach diesem Horrorjahr 2018 wieder aufwärts geht". Um das Leben nicht nur für sich, sondern auch für die Kleinen wieder in den Griff zu kriegen und Kräfte zu sammeln, wäre es allerdings wichtig, dass er künftig ausreichend schläft. "Ein richtiges Bett, das wäre deshalb ein Traum", sagt er.

© SZ vom 18.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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