Streit über Hindenburgstraße:Schlag ins Gesicht der NS-Opfer

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Paul von Hindenburg bejubelte die NSDAP, als die Partei mit Brutalität eine Diktatur aufbaute. Wenn Bad Tölz eine ihm zu Ehren benannte Straße nicht umbenennt, ist das eine Desavouierung aller NS-Opfer.

Von Klaus Schieder

Paul von Hindenburg war Monarchist und egomanischer Selbstdarsteller. Er vertrat die "Dolchstoßlegende", eine Propagandalüge, die das politische Klima in der Weimarer Republik vergiftete. Er verachtete das Parteiensystem und vor allem die SPD. Er hatte auch Vorbehalte gegen Adolf Hitler. Dennoch verhalf er gerade ihm 1933 an die Macht. Als die NSDAP dann die Demokratie mit brutaler Gewalt zerstörte und ihre verbrecherische Diktatur aufrichtete, bejubelte er sie als große Vaterlandspartei. Hindenburg mag selbst kein Nazi gewesen sein, aber er war einer ihrer maßgeblichen Wegbereiter. Wenn Bad Tölz nach ihm eine Straße benannt lässt, ist das eine Desavouierung aller NS-Opfer, auch jener geistig behinderten Tölzer, die von den Nazis ermordet wurden. An sie erinnern in der Kurstadt Stolpersteine - nur wenige Schritte von der Hindenburgstraße entfernt.

Das Unersprießliche an der Diskussion über einen anderen Straßennamen ist weniger, dass sie so spät kommt. Es ist auch nicht einmal, dass anscheinend wenige für und viele gegen eine Umbenennung sind. Fatal ist hingegen der Versuch, diese Debatte schon in ihren Anfängen abzuwürgen. Dahinter steckt vermutlich die Furcht, dass es auch in Bad Tölz zu einem schlagzeilenträchtigen Pro und Contra wie in Garmisch oder in Münster kommen könnte - und das Image der Touristenstadt in der öffentlichen Wahrnehmung dadurch Schaden nähme. Dabei stünde es gerade einem Ort, in dem die SS einst eine Junkerschule betrieb, gut zu Gesicht, eine offene und ehrliche Auseinandersetzung über die Nazi-Zeit und die Rolle des Noch-Ehrenbürgers Hindenburg zu führen.

Dies trüge allemal mehr zur Aufklärung bei als eine unscheinbare Hinweistafel unterm Straßenschild. Was sollte darauf in zwei Zeilen schon stehen: "Wegbereiter der NS-Diktatur"? Dann hätte man auch alle Hitlerstraßen-Schilder belassen können. Zusatz: "Größter Massenmörder der Geschichte". Straßennamen sollten ehrenhalber jenen Persönlichkeiten vorbehalten sein, die Gutes für das Land oder für die Stadt geleistet haben. Hindenburg gehört dazu sicher nicht.

© SZ vom 13.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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