Serie: "Wirtschaftswunder":"Zum Geiger" geht man der guten Küche wegen

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Eines der ältesten Geretsrieder Anwesen liegt zwar unschön direkt an der Bundesstraße 11, doch unzählige Stammgäste haben gute Gründe, immer wieder gern zu kommen

Von Thekla Krausseneck, Geretsried

Wer so lange dazugehört hat, lässt eben nicht so schnell los: Das ist die Antwort, die Elisabeth Graf gibt, wenn man sie fragt, warum sie immer noch regelmäßig "zum Geiger" kommt. Sie und ihr Ehemann sind zwei der vielen Stammgäste, die den Gasthof am Leben halten, während andernorts eine urbayerische Wirtschaft nach der anderen schließen muss.

Bis vor 20 Jahren kam Graf noch aus einem anderen Grund jahrelang in die Wirtschaft: Sie arbeitete dort. Tag für Tag betrat sie die mit Holz getäfelten Räume, die sich bis heute kaum verändert haben: Auf dem Absatz der dunklen Täfelung stehen lange Reihen von Bierkrügen, die Fenster sind in zarten Farben getönt, der Boden aus flaschengrünen, geschwungenen Fliesen. An den Wänden hängen neben gerahmten Zeichnungen Porträts der Familie Geiger und ein Gedenkblatt vom Hackerbräu "zum 100-jährigen Bezugsjubiläum", wie verschnörkelt darauf geschrieben steht.

Gut besucht ist der Gasthof Geiger eigentlich immer. Es spricht sich eben herum, wenn das Essen schmeckt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Neben der Theke mit den Zapfhähnen und der Tür zur Küche steht ein Kachelofen, davor eine Bank und unter dieser eine Kiste voller Spielzeug. Ordentlich eingeräumt sieht anders aus: Die Kiste ist offenbar häufig in Benutzung. Familien kommen mit ihren Kindern zum Geiger, nicht nur aus Tradition. Das Essen, besonders aber der Fisch sei hervorragend, sagt Graf, die einen panierten Goldbarsch verspeist. Angelika Geiger stellt sich mit 65 Jahren noch selbst in die Küche, um ihren Gästen das so hoch gelobte Essen zuzubereiten. In den Knochen spüre sie den Stress und die viele Arbeit inzwischen zwar schon, sagt die Wirtin, aber so einfach sei das eben nicht zu lösen - die Qualität müsse schließlich stimmen. Gelernt hat Geiger ihr Handwerk auf der Hotelfachschule. Die besuchte sie schon als junge Frau in der festen Gewissheit, das Gelernte gut brauchen zu können, denn dass sie den Gasthof eines Tages übernehmen würde, stand bereits früh fest. Mit der Ausbildung in der Tasche half Geiger im Familienbetrieb mit, bis sie 1987 selbst Chefin wurde. Drei angestellte Mitarbeiter und mehrere Aushilfen arbeiten in der Wirtschaft, die vor allem am Wochenende und in den Abendstunden gut besucht ist: Sind alle Stühle besetzt, hat der Gasthof 90 Gäste in drei Speisesälen.

Chefin Angelika Geiger ist gelernte Hotelfachfrau. Noch heute, mit 65 Jahren, steht sie in der Küche. (Foto: Hartmut Pöstges)

Weitere vor allem im Sommer gern genutzte Tische stehen im Biergarten auf einer Wiese, auf der, wenn nicht gerade gemäht worden ist, wilde Blumen die Gäste an den Knöcheln kitzeln. Nicht jeder ziehe den Platz im Biergarten einem Tisch im Gasthof vor, auch nicht wenn das Wetter schön sei, sagt Geiger nicht ganz glücklich: Das Wirtshaus liegt so unmittelbar an der Bundesstraße 11, dass noch nicht einmal ein Grünstreifen die Außenseite des Hauses von der Straße trennt. Das Tempo ist an dieser Stelle zwar gedrosselt, doch selbst wenn sich die Vorbeifahrenden daran halten, ist das Rauschen noch gut durch die Sträucher zu hören. Immerhin: Ein wenig hat der Straßenlärm abgenommen, seit zu Zeiten von Bürgermeisterin Cornelia Irmer die Einfahrt zur Tattenkofener Straße für den Verkehr gesperrt wurde. Seither sehe man zwar ständig Lastwagen und Autos, die - von überholten Navigationsgeräten geleitet - von der B 11 in die Tattenkofener Straße einbögen, die Sackgasse zu spät bemerkten und sich dann wieder auf die Bundesstraße manövrierten, aber das sei kein Vergleich zu früher. Dafür habe der Verkehr auf der B 11 allgemein zugenommen - nicht jeder kann das überhören, wenn er im Biergarten unter dem riesigen Haselnussbaum sitzt.

Und doch: Das Essen lässt Angelika Geigers Gäste immer wiederkommen. Einerseits die klassischen Gerichte wie Schweinebraten, Tellerfleisch und paniertes Schnitzel - oder eben der Fischs, der früh morgens vom Starnberger See oder dem Chiemsee geliefert wird. Andererseits gibt es modernere Gerichte, die enorm beliebt sind, wie gegrillte Garnelen und gebackenen Schafskäse zu Romana-Salat. Das Tagesmenü ist flexibel. Mal gibt es gefüllte Kalbsbrust, mal Pichelsteiner Eintopf. Eine wichtige Rolle spielt die Jahreszeit. Sobald der Holunder blüht, können Gäste Hollerkücherl mit Vanilleeis und Erdbeeren aus der Region bestellen. Dann geht Geiger in den Garten, schneidet ein paar Blütendolden ab und brät sie in der Küche frisch aus. Dies ist überhaupt eines der wichtigsten Kriterien für die Wirtin: Auch wenn nicht alle Zutaten aus der Region kommen - das sei kaum immer machbar, sagt sie -, so müssen sie richtig frisch sein.

Gutes Essen und Tradition: Zwei Faktoren, die den Gasthof Geiger florieren lassen. Traditionell trifft sich die Geretsrieder CSU monatlich zum Stammtisch im Festsaal. Zahlen muss sie dafür nichts. Für Familie Geiger eine Selbstverständlichkeit, saß doch Geigers Vater Nikolaus 28 Jahre lang für die Christsozialen im Stadtrat. Und wer so lange dazugehört hat, lässt so schnell eben nicht mehr los.

© SZ vom 02.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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