Serie: Winterspuren:Aussicht statt Gipfel

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Wer auf die unscheinbare Hochalm wandert, tut das nicht wegen eines steilen Aufstiegs oder spektakulären Ziels. Das Panorama, das sich bietet, ist die Attraktion

Von Arnold Zimprich, Lenggries

Es gibt Berge, die so unscheinbar sind, dass sie in prominenter Nachbarschaft fast untergehen. Zu Unrecht, wie sich am Beispiel der Hochalm zeigt. Unmittelbar südlich des Lenggrieser Ortsteils Winkel gelegen, ist die Hochalm ein aussichtsreiches Ziel für Kenner. Ehrgeizigere Bergsteiger strömen Richtung Karwendel und Achensee. Die Hochalm hingegen bekommt vergleichsweise selten Besuch.

Allein schon der Name des Bergs verweist darauf, dass nicht das Erreichen eines spektakulären Gipfelziels, sondern die Bewirtschaftung der Alm der Grund dafür war, warum dieser "nach Osten abdachende[R] Grasberg mit Plateau-Charakter" im Jahr "1529 erstmals bestossen" wurde, wie die Gesellschaft für Agrargeschichte schreibt. Die Hochalm ist demnach auch kein schroffer, spitzer oder in anderer Weise auffälliger Gipfel - das Gipfelkreuz reckt sich am höchsten Punkt eines großen Wiesenplateaus in die Höhe. Die Alm wird schon seit 1926 nicht mehr bewirtschaftet und bestand ursprünglich aus zwei Hütten, von denen heute nur noch Bruchsteinsockel übrig sind.

Der schönste Anstieg erfolgt von der Walchenklamm und quert nach einem moderaten Anfang ein kleines, gumpenreiches Bachtälchen. Zahlreiche Steilabschnitte verleihen dem Weg etwas alpine Würze, schlammige Wurzelpassagen verlangen nach einem sorgfältigen Tritt. Trotzdem ist der Anstieg nie schwierig, meistens legen Einheimische nach Neuschneefällen schon früh eine brauchbare Spur. Der Berg eignet sich damit je nach Schneelage zum Schneeschuhgehen wie auch zum Winterwandern.

Der Abstieg von der Hochalm oberhalb Höllei - wohin ein Abstecher lohnt, denn dort neigt sich eine uralte Esche über den hölzernen Bau, der aus der Zeit gefallen zu sein scheint. (Foto: Arnold Zimprich)

Hat man die ersten 350 Höhenmeter und damit grob die Hälfte hinter sich, lohnt ein kleiner Abstecher nach rechts zur Hölleialm, die einen ersten, wunderbaren Ausblick auf das gegenüberliegende Demeljoch und weitere Gipfel in der Umgebung vermittelt. Die "Höllei" ist die älteste Alm des Landkreises Miesbach - der Großteil des Aufstiegs zur Hochalm verläuft - bis auf den Start und das Finale - im Nachbarlandkreis. 1427 erstmals erwähnt, hat die Höllei eine "selten gewordene Aura", wie die Historiker der Gesellschaft für Agrargeschichte treffend schreiben. Eine eindrucksvolle, uralte Esche neigt sich über den hölzernen Bau, der aus der Zeit gefallen zu sein scheint.

Einen Bachgraben querend geht es weiter empor, an der aussichtsreichen Mitteralm trifft der alternative Anstieg von Glashütte auf den Hauptweg. Ein letztes Mal alle Kraft zusammennehmen, und schon weicht der Wald zurück, über ein paar Kehren erreicht man die freien Wiesenflächen der Hochalm, bei wenig Schnee rücken Mauerreste ins Blickfeld. Die verfallenen Almgebäude sind jedoch nicht der Hauptgrund, warum die Hochalm gerade an Wochenenden dann doch den ein oder anderen Kenner anlockt - es ist die Aussicht. Besteigt man die Hochalm über den steilen Alternativanstieg von Norden - Ausgangspunkt ist hier ein kleiner Parkplatz an der B 13 südlich von Hohenwiesen - wird man vom Panorama überrascht, das man auf einem gerade mal 1427 Meter hohen Berg in den Voralpen nicht erwarten würde. Wer von Süden aufsteigt, hat schon eine Ahnung davon bekommen, bei welchem Blick die Almbauern hier früher wirtschafteten - und ihn vermutlich selten genießen konnten. Richtung Ostnordost reckt der felsige Roß- und Buchstein seinen Doppelgipfel in die Höhe, rechts daneben der schroffe Guffert. Im Süden blickt man auf den Rofan, den runden, an einen tonsurierten Mönchskopf erinnernden Juifen; Demeljoch, Karwendel, Wetterstein und zahlreiche Voralpenberge gleich daneben. Nach Norden öffnet sich das Isartal in einer fast noch urweltlichen Pracht.

Die weiten Wiesenflächen auf der Hochalm laden - winters wie sommers - zum Verweilen und Seele-baumeln-Lassen ein. Eng wird es hier oben selten, jeder findet einen Platz, um zu entspannen. Deshalb: Sitzunterlage nicht vergessen. Da die Wegverhältnisse auf der Hochalm im Winter schwer einzuschätzen sind, empfiehlt sich die Mitnahme von Grödeln (Schuheisen) und Trekkingstöcken.

© SZ vom 05.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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