Seltener Einblick:Überwältigend rot

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Als Kind wurde sie wegen ihrer roten Haare gehänselt. Inzwischen versucht sie, "Rot zu bewältigen". (Foto: Manfred Neubauer)

Eine Entdeckung im kleinen Dietramszeller Ortsteil Linden: Die Malerin Valeska öffnet erstmals ihr Atelier. Von Charles de Gaulle hat sie einst einen Preis bekommen

Von Petra Schneider, Dietramszell

Im kleinen Dietramszeller Ortsteil Linden gibt es eine Kirche und den Huber-Wirt, die Öko-Akademie, Handwerker, Bauern. Und einen inspirierenden Ort, den man hier nicht vermuten würde: das Atelier der Münchner Malerin Valeska, das zurzeit für Besucher geöffnet ist. Der Eingang hinter dem Haus führt in einen verwunschenen Garten: Buddhas, Bambusse, weiße Rhododendren. Über Holzstege erreicht man versteckte grüne Nischen, Schaufensterpuppen vergnügen sich an einem möglichen "Bach", ein elektrisierendes Feuerbild lehnt an einem Schuppen. Besucher werden von klassischer Musik empfangen, die hier von morgens bis abends läuft. "Gepflegte Unordnung", nennt die Hausherrin ihr Reich. Seit 20 Jahren arbeitet Valeska in Linden, vor fünf Jahren hat sie das Atelier angebaut. Sie lebt mit ihrem Lebensgefährten im gegenüberliegenden Haus, ihre Wohnung in der Münchner Maxvorstadt hat sie behalten.

Valeska - das ist ihr Vorname und seit 50 Jahren ihr Künstlername. Mehr will die zierliche Person mit den roten Haaren nicht verraten, auch nicht ihr Alter. Zum ersten Mal öffnet sie nun ihr Atelier für eine Woche. Gleich am ersten Tag sei Wolfgang Heubisch, ehemaliger Kunst- und Wissenschaftsminister, gekommen, erzählt sie knapp. Ein Blick ins Gästebuch verrät, dass er nicht der einzige prominente Besucher in den vergangenen Jahren war: Joachim Herrmann hat ein paar Zeilen geschrieben, Günther Beckstein, der ehemalige Landesbischof Johannes Friedrich, Wiesn-Wirt Wiggerl Hagn oder Karikaturist Dieter Hanitzsch. Auch Konzernchefs kamen und kommen nach Linden, um am Esstisch unter dem opulenten Kristallleuchter über Aufträge zu sprechen.

Unternehmen wie die Telekom, die Deutsche Post, BMW oder Siemens gehören zu Valeskas Kunden; sie mieten ihre Bilder für mehrere Jahre, stellen sie in ihren Geschäftsräumen aus. Auch im Dietramszeller Rathaus hängen einige Arbeiten, die sie der Gemeinde als kostenlose Leihgabe zur Verfügung stellt. Sie mag den kleinen Ort und sei "voll integriert", sagt Valeska. Man duze sich, auch Bilder habe sie schon an Einheimische verkauft. Große Namen hat sie in das kleine Dorf gelockt, sie selbst bleibt lieber im Hintergrund. Man solle sich ein "Bild von meinen Bildern machen, aber nicht von mir".

Diese Bilder - sie üben eine magische Anziehung aus. Großformatige, oft monochrome Arbeiten in Rot, die wie blutvolle Muskeln wirken. Eine flirrende, orange-gelbe Sommerhitze, die plastisch wirkende Strukturen - Gräser, Stiele - einhüllt. Kühle, blaue Meerunendlichkeiten, kleinere "Lava-Bilder", die auf Lanzarote entstanden sind. Abstrakte, weiche Formen, die auch Ausdruck des Harmoniebedürfnisses ihrer Schöpferin sind. Die Bilder verändern sich je nach Beleuchtung oder Intensität der Betrachtung; wie in Valeskas Garten kann man Nischen und Nuancen entdecken, feine Linien, Schattierungen, pulsierende Flächen.

Menschen tauchen in ihren Bildern höchstens als gesichtslose Wesen in Weiß-Grau-Schwarz auf. "Menschen nehmen sich zwar wichtig, aber sie sind es nicht", sagt die Künstlerin. Sie möchte mit ihren kraftvollen Bildern die Seele ansprechen. "Wer sie anschaut, soll sich wohlfühlen." Auf Titel verzichtet sie meist, "jeder kann in den Bildern sehen, was er für sich sehen will".

Seit 15 Jahren dominiert das Rot in ihren Arbeiten - eine Farbe, die lange für sie tabu war. "Ich wurde wegen meiner roten Haare als Kind oft gehänselt", erzählt sie. Die Faszination sei bei einer Asienreise erwacht. "Seitdem versuche ich, Rot zu bewältigen." Die leuchtend-warme Farbe gebe ihr Kraft, rote Sonnenuntergänge in der Normandie zum Beispiel, "dort ist der Himmel einfach höher". Valeska ist in Görlitz aufgewachsen, hat an der Akademie der Künste in Ostberlin studiert und in Düsseldorf ein zweites Studium angehängt. In ihren Arbeiten trägt sie 25 Schichten Ölfarben lasierend auf, arbeitet in der Tradition der alten Meister.

Von Anfang an war Valeska freischaffende Künstlerin, sie hat es geschafft, nach ihrer Scheidung ihre beiden Töchter "nur mit meiner Malerei durchzubringen". Ein steiniger Weg, zumal für eine Frau in den Sechzigerjahren. "Ich würde Sie ausstellen, wenn Sie ein Mann wären" - das habe sie oft zu hören bekommen. Ohne Freundinnen, "die ab und zu einen Topf Suppe vorbeigebracht haben, wäre das noch schwieriger gewesen". Valeskas Bilder waren in mehr als 100 Einzelausstellungen zu sehen, in New York, Paris, Budapest, Brüssel, Berlin, Düsseldorf oder München. Im Jahr 1972 hat sie in Paris den "Prix de Composition" bekommen, überreicht von Charles de Gaulle.

Valeska kann viele Geschichte erzählen über Leute, die man normalerweise nur aus Magazinen kennt. "Ich nenne keinen Namen" - diesen Satz sagt sie oft. Ihr Atelier soll ein geschützter Raum bleiben, auch für Leute, die mit Bodyguard nach Linden kommen. Ein Ort, an dem man sich Zeit nehmen könne, "für die Schönheit in den Dingen".

Tag der offenen Tür im Atelier Valeska, Haarstraße 10, Dietramszell-Linden, bis 21. Oktober, 14 bis 18.30 Uhr

© SZ vom 19.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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