Seit 744 Jahren:Die älteste Prozession

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Zur Prozession holen die Gläubigen ihre schönsten Trachten aus dem Schrank - und tragen neben den Heiligenfiguren auch große, wertvolle Fahnen durchs Dorf. (Foto: Matthäus Krinner)

Schon 1273 wurde in Benediktbeuern Fronleichnam mit einem Umzug begangen - das erste Mal in Deutschland. Auf die lange Tradition ist das Dorf stolz.

Von Jakob Steiner, Benediktbeuern

Fahnenträger, Musiker, Gebirgsschützen, Ministranten, Pfadfinder - alle sind sie dabei. An diesem Donnerstag feiert die katholische Kirche Fronleichnam. In Benediktbeuern hat das Fest eine besondere Bedeutung. Denn dort zog 1273, also vor 744 Jahren, die erste Fronleichnamsprozession in ganz Deutschland durch die Felder und das Dorf. In Köln gab es erst sechs Jahre später die erste Prozession zum damals ziemlich neuen Fest Fronleichnam. Auf die lange Tradition ihrer Prozession sind die Benediktbeurer ausgesprochen stolz, auch wenn anderswo inzwischen mehr Menschen zusammenkommen, wie in Bad Tölz oder München, wo tausende Zuschauer den Zugweg säumen.

"Damals war alles natürlich noch einfacher und schlichter", sagt Pater Heiner Heim über die Anfänge. "Heute haben wir hier ein großes Fest." Fronleichnam sei ein wichtiger Tag für die ganze Pfarrgemeinde. Der gebürtige Pfälzer feierte schon vor seiner Zeit als Pfarrer oft Fronleichnam in Benediktbeuern mit. Nach Stationen in der Schweiz und in Buxheim wurde der Salesianer 1991 Direktor des Klosters Benediktbeuern. Anschließend war er in der Provinzleitung der Ordensgemeinschaft tätig, bis er 2009 Leiter der Pfarreiengemeinschaft Benediktbeuern und damit Seelsorger wurde.

Wie Heim berichtet, wird zu Fronleichnam jedes Jahr alles mobilisiert. Der Benediktbeurer Festzug gliedert sich in insgesamt 25 Teile, und es gibt einige Besonderheiten: Neben der Benediktusfigur wird auch eine Reliquie der Märtyrerin Anastasia mitgeführt - ihre Kopfschale. Die Antlaß- und Gebirgsschützen Benediktbeuern-Ried tragen die wertvolle Reliquie der Heiligen auf einer barocken Bahre. Sie soll das Dorf 1704 vor der Zerstörung durch Tiroler und österreichische Soldaten bewahrt haben. Die Schützen begleiten außerdem das Allerheiligste, also die Hostie, die in einer reich verzierten Monstranz mitgeführt wird. Nach der Tradition geben sie dem Pfarrer Weggeleit und beschützen ihn.

Gebirgs- und Antlaßschützen sind auch in anderen Städten und Dörfern selbstverständlich bei den Fronleichnamsumgängen dabei. In Benediktbeuern sind sie aber stolz darauf, wie lange schon: Seit mehr als 500 Jahren bestehen sie schon, wie der Vorstand Michael Waldherr stolz erklärt - ohne Unterbrechung. In diesem Jahr rechnet er mit rund 140 Schützen, die dem "Umgang" beiwohnen. Am Donnerstag mit dabei ist auch sein Sohn Michael Waldherr junior, der als Kanonier während der Messfeier und an jeder Station der Prozession jeweils drei Schüsse abgibt.

Ihren Namen haben die Schützen vom Fronleichnamsfest, das in Anlehnung an den Gründonnerstag auch "Großer Antlaßtag" genannt wird. Der Ursprung des Namens ist der Nachlass für Sünden, der vor allem im Zusammenhang mit der Gedächtnisfeier der eucharistischen Einsetzung gewährt wurde. Auch die Musikkappelle Benediktbeuern ist jedes Jahr dabei. Für ihren Dirigenten Bernhard Schreder ist die Fronleichnamsprozession "immer wieder was Besonderes, auch wenn's anstrengend ist". Er leitet die knapp 40 Musiker an, die die Prozessionsmärsche und ein Stück an jedem der vier Altäre spielen; der Kirchenchor singt an jeder Station. "Definitiv kann man sagen, dass das ganze Dorf auf den Füßen ist", sagt Schreder. Zumindest trifft das wohl auf den aktiv katholischen Teil der Bevölkerung zu.

Seit dem ersten Fronleichnamsfest in Benediktbeuern im Jahr 1273 konnte die Prozession aber nicht jedes Jahr begangen werden, Grund dafür waren unter anderem Kriege oder andere soziale Probleme. Diese Zeiten sind lange vorbei, und die Fronleichnamsprozessionen können am Donnerstag stattfinden, in Benediktbeuern ebenso wie in den anderen Gemeinden im Landkreis und ganz Bayern. Am Sonntag finden vielfach Flurprozessionen statt, etwa von Benediktbeuern aus in den Nachbarort Bichl, der zum Pfarrverband gehört.

Am Fronleichnamstag selbst kommen die Gläubigen um 8 Uhr in der Benediktbeurer Basilika zusammen. Dort wird die Heilige Messe gefeiert. Dann machen sie sich zu der eucharistischen Prozession auf, die über vier bunt geschmückte Altäre durch das festlich geschmückte Dorf führt. An der Prälatenstraße entlang geht es zum Gemeindehaus und von dort aus zum Oberschmied. Über die Marienkirche gelangt der Prozessionszug wieder zurück zum Kloster, um im dortigen Innenhof das Fest feierlich zu beschließen. Mitgehen können auch Gläubige, die keinem Verein und keiner Gruppe angehören. Sie schließen sich dem feierlichen Zug an, zuerst die Frauen, dann die Männer.

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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