Rezension:Erhebendes in allen Lagen

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Perfekte Harmonie: Johanna Betzinger (rechts) und ihre Tochter Iris überzeugten mit zweistimmigem Gesang ebenso wie Gabriele Henn an der Querflöte. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Alexander Pointner präsentiert ein gelungenes Kammerkonzert in der Petruskirche

Von Reinhard Szyszka, Geretsried

"Zum Glück muss ich heute nicht singen." Alexander Pointner, Organist aus Lenggries, deutete auf seinen Hals und erklärte, stimmlich etwas angeschlagen zu sein. Doch trotz dieses Handicaps führte er mit geradezu mustergültig klaren und deutlichen Ansagen durch das Konzert in der Geretsrieder Petruskirche, die an diesem Sonntagnachmittag erfreulich gut besucht war. Zunächst erläuterte Pointner die nur auf den ersten Blick komplizierten Beziehungen zwischen den Protagonisten. Iris Betzinger ist die Tochter von Johanna Betzinger und Flötenschülerin von Gabriele Henn, die ihrerseits mit dem Cellisten Jochen Henn verheiratet ist. Sowohl Tochter als auch Mutter Betzinger singen darüber hinaus Sopran.

Ein Kammerkonzert mit Werken aus der Zeit von Johann Sebastian Bach sollte es sein, doch das Programm führte weit darüber hinaus. Schon das einleitende Mendelssohn-Terzett "Hebe deine Augen auf", das dem Konzert seinen Titel gegeben hatte, gehört entschieden in die Zeit der Romantik. Doch so eng wollte das niemand sehen, zumal es ein Ohrenschmaus war, den wunderbar harmonierenden Stimmen von Mutter und Tochter Betzinger zuzuhören. Gabriele Henn ergänzte mit der Flöte die dritte Stimme.

Sodann ließen sich die beiden Sängerinnen einzeln hören, mit je einer deutschen Arie von Georg Friedrich Händel. Besonders in der Höhe strahlten die Stimmen jubelnd auf. In der tiefen Lage kamen die Sopranistinnen gelegentlich schwer gegen die Instrumente an, doch verzichteten sie klugerweise auf jedes Forcieren. Welcher Sängerin sollte man den Vorzug geben, Mutter Johanna oder Tochter Iris? Man wusste es nicht.

Die nachfolgende Arie "Schafe können sicher weiden" aus der Jagdkantate von Bach setzte beide Flöten ein, und es zeigte sich, dass Iris Betzinger instrumental ebenso gut mit ihrer Lehrerin harmoniert wie vokal mit ihrer Mutter. Daran schloss sich das erste reine Instrumentalstück an, eine Pastorale aus "Il Pastor Fido" von Antonio Vivaldi. Hier löste sich das Cello von Jochen Henn erstmals aus seiner reinen Continuo-Funktion und glänzte mit eigenen Kantilenen.

Es folgte eine dreisätzige Fantasie für Flöte Solo von Georg Philipp Telemann, bei der Iris Betzinger mit beherrschter Atemkontrolle, Klangschönheit und Virtuosität beeindruckte. Das Offertorium "Scande coeli limina" des zwölfjährigen Mozart ist eigentlich für zwei Violinen, Sopran und Basso continuo komponiert, doch lässt es sich auch wunderbar mit zwei Flöten anstelle der Geigen musizieren, wie Gabriele Henn und Iris Betzinger demonstrierten. Hinzu kam die gut und sicher geführte Sopranstimme von Johanna Betzinger.

Das nächste Werk führte weit aus der Bach-Ära heraus: "Syrinx" für Flöte solo von Claude Debussy. Bis jetzt hatten die Künstler auf der Orgelempore musiziert; nun ließ sich Iris Betzinger im Altarraum sehen und zeigte, dass sie auch über eine erstaunliche dynamische Bandbreite verfügt. Jetzt verließen auch die übrigen Musiker die Empore und kamen nach vorne. Ein kleines elektronisches Gerät, das dort aufgestellt war, diente Alexander Pointner wahlweise als Cembalo oder als Klavier; er spielte es im Stehen.

Und was nun folgte, war sicher der virtuose Höhepunkt des Konzerts: Bachs Sonate für Flöte und Basso Continuo. Hier zeigten Pointner und das Ehepaar Henn ein Zusammenspiel, das bei den schnellen Sätzen gelegentlich den Atem stocken ließ. Das Finale enthält einige vertrackte Kanon-Passagen, bei denen die Spieler allzu leicht aus dem Takt kommen können, doch die Musiker umschifften alle Klippen und hielten das Schiff sicher auf Kurs.

Bei der Arie "Nun beut die Flur" aus Haydns "Schöpfung" konnten sich Spieler und Zuhörer wieder beruhigen, bevor das Finale anstand: eine Triosonate von Telemann, deren einzelne Sätze augenzwinkernd verschiedene Damen der Antike porträtieren. Pointner sagte die Namen der Frauen jeweils an, und wenn auch die griechische Dichterin Corinna und die römische Heldin Clelia heute nur noch wenigen Spezialisten bekannt sind, so begeistert die Musik Telemanns nach wie vor. Der hochverdiente und einhellige Schlussapplaus belohnte die fünf Musiker.

© SZ vom 25.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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