Realschuldirektor in Geretsried:Gottes Freund

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Schulleiter Armin Eder hat gegen sein Lehrerkollegium Kreuze in den Klassenzimmern durchgesetzt und sie auch persönlich festgeschraubt. (Foto: Hartmut Pöstges)

Er segnet ungefragt Schüler und beschimpft Atheisten als dumm: Realschuldirektor Armin Eder sorgt in Geretsried für Ärger. Der Förderverein spricht von "religiösem Eifer", Eltern werfen ihm auch sonst schlechten Stil vor.

Von Matthias Köpf, Geretsried

Die Fußstapfen sind schon ein paar Jahre alt, aber sie scheinen in all der Zeit nur größer geworden zu sein. Wer auch immer in diesen Tagen über die Geretsrieder Realschule und ihren Direktor spricht, der spricht auch bald über diese großen Fußstapfen, die Peter Halke bei seiner Pensionierung 2011 hinterlassen hat.

Einiges hat sich inzwischen geändert: So geht der jetzige Schulleiter Armin Eder seit zwei Jahren in eine ganz andere Richtung. Unbeirrt und ziemlich allein. Zurück bleiben kopfschüttelnde Eltern oder Lehrer, die ihm ihre freiwilligen Sonderaufgaben vor die Füße geworfen haben. Schüler wechseln die Schule, obwohl sie hier früher wie zu Hause waren.

Eltern beklagen vergessene Absprachen

Eine 17-Jährige aus der Gemeinde Dietramszell zum Beispiel geht jetzt auf eine private Realschule nach München. Eineinhalb Stunden einfach pro Tag, erst in den Ort zum Bus, mit dem nach Holzkirchen und dann mit der Bahn. Zu den Fahrtkosten kommen fast 400 Euro Schulgeld, aber ihrer Mutter ist es jeden Cent wert. "Ich weiß nicht, wo ich meine Tochter wiedergefunden hätte, wenn die da geblieben wäre", sagt die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, weil ihr jüngerer Sohn die Realschule in Geretsried besucht.

Noch, wie sie sagt. Die Tochter hatte vor einem Jahr Schwierigkeiten in Französisch, wollte in den Kunst-Zweig wechseln. Eigentlich sei alles verabredet gewesen, sagt die Mutter, und auch die zuständige Lehrerin sei beim Direktor irgendwann durchgedrungen und habe sein Einverständnis erwirkt. Die Tochter habe sich wahnsinnig gefreut - bis zur Lehrerkonferenz Ende Juli. Da habe der Direktor von einem Einverständnis plötzlich nichts mehr wissen und sich nicht mehr daran erinnern wollen. Es gab auch kein Vorrücken auf Probe, denn Französisch hatte die Tochter inzwischen vernachlässigt und sich eine zweite Fünf eingehandelt. Schriftlich gibt es zu all dem wenig, nur eine Mitteilung der selbst konsternierten Lehrerin.

Berichte wie diesen über vergebliche Absprachen und einsame Entscheidungen gibt es mehrere, von Eltern, von Schülern und von Lehrern - in aller Regel ohne Namen, denn die Stellung eines bayerischen Schulleiters ist stark, und Armin Eder hat schon vielen deutlich gemacht, dass er seine Befugnisse zu nutzen gedenkt. Kritiker da und dort werde er aussitzen. Ein solcher Kritiker ist der ehemalige Elternbeiratsvorsitzende Peter Schneider, doch seit sein Sohn - ganz regulär mit Abschluss - die Schule verlassen hat, ist Schneider Vorsitzender des Fördervereins.

Der will seinem Zweck nachkommen und ist sogar als Träger für die offene Ganztagsschule eingesprungen. Doch Eder habe sich wegen kirchlicher Verpflichtungen auch einer eigens nach seinen Termin-Wünschen angesetzten Mitgliederversammlung verweigert, obwohl er kraft Amtes selbst dem Vorstand angehört. Schneider und sein Stellvertreter Thomas Luithlen haben dazu einen scharfen Brief verfasst. Im Kollegium scheine "eine verhuschte Stimmung" zu herrschen, man höre von "schriftlichen Dienstanweisungen zu Petitessen", Eder verschanze sich hinter "bürokratischen Hürden", heißt es darin.

Förderverein wirft ihm "religiösen Eifer" vor

Im Protokoll der Mitgliederversammlung ist ebenfalls von vielerlei Problemen die Rede. Mitglieder des Kollegiums werden darin nur mit den Worten zitiert, dass ihnen Äußerungen "dienstrechtlich untersagt" seien. Eder scheint an der Schule vor allem ein Anliegen zu haben, das im Protokoll des Fördervereins "religiöser Eifer" heißt. Er hat 2013 gegen eine große Mehrheit im Kollegium Schulkreuze durchgesetzt, sie als frisch geweihter Diakon des Bistums Augsburg am Rande des Adventsbasars in geistlicher Dienstkleidung gesegnet und über Nacht persönlich in den Klassenzimmern festgedübelt. Auch Schülern erteilt er bei Gelegenheit ungefragt seinen Segen.

Einen solchen Fall hat Eder zugegeben, mindestens drei sind von Augenzeugen oder Beteiligten belegt. Etwa der Fall der damals 16-jährigen Geretsriederin, die er mit einem Lutscher im Sekretariat angetroffen und auf die vorösterliche Fastenzeit hingewiesen hatte. Die junge Frau ist nicht getauft und sah sich auch nicht in der Pflicht zu fasten. "Dann hat er mir die Hand auf den Kopf gelegt und gefragt, ob ich nicht Gottes Freundin sein will", sagt die Schülerin, die inzwischen ebenfalls eine andere Schule besucht. Selbst Interventionsversuche einer Lehrerin haben den insistierenden Schulleiter nicht vom Segnen abhalten können. Während das Mädchen darüber heute den Kopf schüttelt, packt ihren Vater immer noch der kalte Zorn.

Wofür sich Eder entschuldigt hat

Für eine Vorfall hat sich Eder inzwischen entschuldigt - auf erheblichen Druck von Elternvertretern vor einer Klassenelternsprecherversammlung, wie Beteiligte berichten. Eder hatte alle katholischen Schüler der 10e einzeln herausgegriffen und wollte ihnen Bestätigungen und Unterschriften abnötigen für seine eigene Darstellung, er habe niemals ihren Lehrer beschuldigt, gegen ihn zu hetzen, und er habe auch niemals mit Blick auf diesen Lehrer gesagt, dass Atheisten dumm seien. Bei der Dummheit der Atheisten war Eder geblieben, mit Verweis auf die Bibel. Die Schüler aber hatten die Unterschrift verweigert und waren jeder einzeln bei seiner Darstellung der vorherigen Vertretungsstunde geblieben, in der Eder genau das gesagt habe, was er nun nicht mehr gesagt haben will.

Peter Halke verfolgt die Vorgänge an seiner alten Schule von Ägypten aus, wo er seine Pension als Lehrer an einer deutschen Schule verbringt. Den Auftritt Eders in der Klasse 10e, der durch ein auch von Eder selbst unterzeichnetes Protokoll belegt ist, nennt Halke "ein absolutes, unentschuldbares Fehlverhalten". Schulkreuze sollte es an einer staatlichen Schule in einer pluralistischen Gesellschaft nicht geben, findet Halke. Das Geretsrieder Kollegium habe stets "der Erziehung zu selbstständigem und selbstverantwortlichem Denken und Handeln einen Rang an oberster Stelle" eingeräumt, und er hoffe, dass das auch heute noch so sei. "Ganz wesentlich hierbei ist, dass man als Schulleiter den Weg hierfür frei macht und frei hält." Über persönliche Konsequenzen müsse jeder Betroffene selbst entscheiden.

© SZ vom 14.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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