Puppen-Show:Wahrheiten aus dem Klappmaul

Lesezeit: 2 min

Der Pascal fragt Josef Pretterer als Brandner-Opa Löcher in den Bauch. (Foto: Wolfsbauer)

Josef Pretterer und sein geniales Universum der Figuren - von charmant bis furchteinflößend.

Von Petra Schneider, Dietramszell

Natürlich passt die Dame in der ersten Reihe wieder auf den Pascal auf. "Geh her, Pascal", sagt sie und drückt den Bub in Lederhose und Wadlstrümpf auf ihren Schoß. "Er ist scho brav, oder?", fragt der Brandner-Opa. Freilich ist er brav, der Pascal. Sagt und tut genau das, was er soll. Der Pascal ist nämlich eine Puppe, eine lebensgroße Klappmaulfigur aus gehärtetem Schaumstoff. Gespielt wird er von Josef Pretterer, der am Donnerstag im Rahmen der Reihe "Kunst und Küche" etwa 30 Gäste in der Klosterschänke mit seinem Programm "Genial" bestens unterhielt.

Pascal und seine inzwischen 60 Geschwister hat Pretterer selbst entworfen und gebaut. Ein Universum faszinierender Figuren ist so in den vergangenen 17 Jahren entstanden: Charmant und manchmal Furcht einflößend, eindrucksvoll in ihrer Plastizität und prägnanten Überzeichnung: Die Grete zum Beispiel, Typ Pott-Mutti mit dicken, rot geschminkten Lippen, Dauerwellenlöckchen und Leoprint-Shirt. Oder die allegorischen Figuren Geiz und Gier: Fantastische Kreaturen mit drei Mäulern, spitzen Zähnen und Teufelshörnern. Pretterer steht erkennbar neben den Figuren und leiht ihnen seine Stimme: Wechselt mühelos vom Pott-Dialekt ins Bairische, vom Türkensprech ins Russische eines mafiösen Organhändlers. Muss die zum Teil überlebensgroßen Puppen noch kurz für ihren Auftritt vorbereiten und in der Zwischenzeit den Pascal zur Betreuung abgeben. Dennoch ist die Illusion perfekt, die Figuren entwickeln Persönlichkeit und ein Eigenleben. Mit Illusion und Imagination kennt sich Pretterer aus: Der Illustrator arbeitete an Trickfilmen und Bildergeschichten für verschiedene Fernsehsender, schuf Geschöpfe für die Sesamstraße oder die Sendung mit der Maus. Am Anfang stehen die Figuren, die der 66-Jährige ohne vorherige Skizzen baut, dann entwickelt er seine Geschichten dazu.

Geschriebene Texte gibt es nicht, Pretterer arbeitet "im Laufen". "Ich laufe an der Isar entlang und rede vor mich hin. Die Leute denken wahrscheinlich: Den muss man einliefern", sagt er und lacht. Bei seinen Auftritten improvisiert er, verändert das Handlungsgerüst seiner inzwischen acht Programme und bezieht die Zuschauer mit ein. Die Atmosphäre in der Klosterschänke genießt er, den familiären Rahmen im Nebenraum mit dem Gewölbe, "bei dem die Leute fast auf der Bühne sitzen."

Die sind voll dabei, lassen sich ein auf diese verrückte Pretterer-Welt. Der gebürtige Kölner lebt in München. Er mag das Bairische, weil es wenige Dialekte gebe, die die Dinge so einfach und treffend benennen. "Gaudistangerl" zum Beispiel, mit dem der Brandner-Opa dem Pascal erklärt, wie die Babys in den Bauch der Mamas kommen. Der Pascal hat viele Fragen, ausgerechnet so brenzlige, und da braucht es schon ein "Kopfkino" um dem Bub die Zusammenhänge anschaulich zu erklären: Verschiedene Samenzellen treten auf - Hartmut, mit dem konservativen Frauenbild oder Erkan, der Checker - und bewerben sich um Einlass in die glupschäugige Eizelle. Pretterer scheut sich nicht vor Frivolitäten, seine Figuren entspringen einer archaischen Bilderwelt. Er spart nicht mit derben Rüfflern gegen gierige Konzerne und Gentechnik, seine Lieblingsfeinde sind Monsanto und Nestlé.

Seine Waffe ist nicht das intellektuelle Kabarett, sondern die Welterklärung aus Sicht eines Kindes. Dass das nicht naiv sein muss, aber aufs Wesentliche und Anschauliche konzentriert ist, beweisen Pretterers Figuren. Und dass es ganz viel Spaß machen kann.

© SZ vom 01.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: