Pflanzaktion:Neue Chance nach der Säge

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Wegen Pilzbefalls mussten am Ickinger Ulrichshügel 50 Eschen gefällt werden. Nun pflanzen Freiwillige mit dem Isartalverein 150 Ersatzbäume, darunter die seltene Elsbeere.

Von Susanne Hauck, Icking

Mühelos bohrt sich der Autoschlüssel hinein. Wie in Butter. Die ringsum stehenden Leute seufzen hörbar auf. Es ist doch Holz, wie kann das sein? Robert Nörr zieht seinen Schlüssel aus dem abgeschlagenen Stamm des Baums. "Diese Esche ist vom Pilz befallen und deshalb so weich", ist seine Diagnose. "Das Gemeine ist, dass sie von außen völlig gesund aussieht."

15 Männer und Frauen haben sich um den Förster versammelt. Sie sind der Einladung zu einer Pflanzaktion gefolgt, mit der der Isartalverein den Ickinger Ulrichshügel wieder aufforsten will. Denn letzten Herbst mussten dort rund 50 Bäume umgesägt werden, weil sie ein Pilz krank gemacht hat. Viele lichte Stellen zeugen davon. "Das Eschentriebsterben ist mit großer Macht gekommen", macht Nörr deutlich. "Es gibt keinen Fleck in Bayern, wo sich der Pilz nicht ausgebreitet hat." Stehen lassen kann man die maroden Bäume nicht, die Sicherheit ist das Problem. Er deutet zu einem Baum mit kahlen Zweigen: Erst sterbe die Krone ab, dann fielen die Äste herunter - eine große Gefahr für Spaziergänger. Manchmal breite sich der Pilz auch in den Wurzeln aus, dann stürze die Esche plötzlich um.

"Hier am Ulrichshügel sind ja auch immer viele Kinder", unterstreicht Erich Rühmer, der Vorsitzende vom Isartalverein und Schäftlarns Altbürgermeister, das Risiko. Den Teilnehmern ist die Betroffenheit anzusehen als Nörr sagt, dass auch die restlichen Eschen in den nächsten Jahren gefällt werden müssten.

Auch Florian Loher von der Waldbesitzervereinigung Wolfratshausen hat nichts Gutes mitzuteilen: "Die Esche hat keine Chance." Bestenfalls würden manche Exemplare Resistenzen entwickeln, mit denen man weiterzüchten könnte. Bei diesen Worten ist Eike Steinmetz sehr nachdenklich geworden. Der braun gebrannte 75-Jährige, der ein enger Freund Rühmers ist, macht sich Gedanken um die Folgen der Globalisierung. Denn der tödliche Pilz stammt eigentlich aus Ostasien. "Der wird durch den Flugverkehr miteingeschleppt", sinniert er. "Da müsste man ja die ganzen Transportwege ändern."

50 Eschen mussten nach dem Pilzbefall gefällt werden. Nun wird nachgepflanzt. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Umso wichtiger sei es, jetzt für die Zukunft zu pflanzen, gibt Nörr als Losung aus. Das Eschensterben ist auch eine Chance: weil seltene Bäume angesiedelt werden können, die sonst leicht verdrängt werden. Die Teilnehmer folgen dem Förster ein Stück weiter. Eine von ihnen ist Camilla Hoesch aus Ebenhausen. Die 25-Jährige studiert Biologie. Ihre Mutter ist Mitglied im Isartalverein und hat sie auf die Aktion aufmerksam gemacht. "Mir ist es wichtig, etwas tun zu können", nennt sie als Grund, warum sie heute gekommen ist.

Weiter unten im Wäldchen warten schon 150 Setzlinge auf die Freiwilligen. Nörr greift in einen weißen Plastiksack und holt ein dürres Ästlein mit Wurzelballen hervor. "Den kennt bestimmt keiner", sagt er. "Es ist ein Speierling, ein wertvoller Baum, in Unterfranken brennt man sogar Schnaps daraus." Ebenfalls gepflanzt werden sollen Weißtannen, Walnussbäume und Eiben. Und noch ein "Schmankerl", wie es Nörr nennt. 33 edle Elsbeeren werden hier eine neue Heimat finden. Die Baum-Rarität stammt aus einem regionalen Züchtungsprojekt im Fünfseenland. Die Elsbeere - übrigens kein Strauch wie die Him- oder Brombeere, wie der Name vermuten lässt - kann jetzt auf Überleben hoffen. Denn wegen ihrer geringen Größe von nur etwa 25 Metern sei die Art recht konkurrenzschwach, so der Förster, häufig nähme ihr höhere Bäume wie die Buche die Sonne weg.

Der Wolfratshauser Förster Robert Nörr pflanzt mit freiwilligen Helfern des Isartalvereins seltene Baumarten auf dem Ulrichshügel in Icking. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Aufmerksam hört Volker Rosenmüller, 50, zu. Auch er ist Mitglied beim Isartalverein und hat auf der Jahreshauptversammlung von der Pflanzaktion erfahren. "Ich bin ja noch jung und rüstig", schmunzelt er. "Nicht immer nur reden, sondern auch was machen, das ist wichtig." Extra aus München ist er an diesem sonnigen Nachmittag gekommen. Wie Christine Tauber. Die 71-Jährige ist mit der S-Bahn angereist. Sie kennt und liebt das Isartal seit ihrer Kindheit, die Bäume sind ihr ein besonderes Anliegen.

Währenddessen hat Robert Nörr zur Schaufel gegriffen und gibt praktischen Unterricht. "Ein Loch graben, das tief, aber nicht zu tief ist", erklärt er. "Aufpassen, dass beim Einsetzen der Trieb beschädigt wird. Und dann die lose Erde mit den Händen gut nachdrücken."

In Grüppchen ziehen die Teilnehmer davon. Die einen graben Weißtannen ein, die anderen Elsbeeren und Eiben. Die Sonne brennt, die Erde sperrt sich anfangs gegen den Spaten, aber alle gehen unverdrossen ans Werk. Mit dabei ist auch Beatrice Wagner, 54. "Die Natur braucht unsere Hilfe", findet die Vorsitzende vom Ickinger Bund Naturschutz. Sie engagiere sich gern tatkräftig und das Pflanzen mache ja auch Spaß. Rund anderthalb Stunden dauert es, dann sind die 150 Schößlinge in der Erde.

Den Rest soll die Natur übernehmen. "In drei Jahren ist hier alles wieder grün", hofft Nörr.

© SZ vom 06.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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