Neujahrsempfang in Bad Heilbrunn:Große Sorge um kleine Höfe

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Über die regionale Landwirtschaft diskutierten (v. li.) Landrat Josef Niedermaier, Bürgermeister Moritz Sappl aus Eurasburg, FW-Kreisvorsitzender Konrad Specker und EU-Abgeordnete Ulrike Müller. (Foto: Manfred Neubauer)

Freie Wähler kritisieren Gesetzgebung in der Landwirtschaft, bezeichnen manche Probleme aber auch als hausgemacht

Von Martina Schulz, Bad Heilbrunn

Die Umgebung von Bad Heilbrunn ist von fichtenbewachsenen Hängen, kleinen Seen und vor allem von Wiesen geprägt. Dieses Ambiente passte zu dem Motto, das der Ortsverband und die Kreisvereinigung die Freien Wähler für ihren Neujahrsempfang im Café Waldrast gewählt hatten: "Regionale Landwirtschaft und Europäische Union". Auf reges Interesse stießen sie damit nicht. Nur 15 Zuhörer waren gekommen, untern ihnen auch Landrat Josef Niedermaier (FW).

Für Konrad Specker hatte sich das Thema dennoch aufgedrängt. Alleine in den vergangenen drei bis vier Jahren hätten bayernweit 4500 Milchviehbetriebe geschlossen, sagte der Bezirksrat und Kreisvorsitzende der Freien Wähler. Milchviehbetriebe seien zwar gerade für die Region prägend, doch würden immer mehr Bauern sagen: "Ich kann und ich will nicht mehr." Die an sie gestellten Ansprüche seien kaum noch zu erfüllen. Der moderne Landwirt sei für Tierschutz, Artenschutz, Naturschutz, Lebensmittelproduktion, Tourismus und vieles mehr zuständig.

Vor allem zwei Gründe sieht die EU-Abgeordnete Ulrike Müller, selbst Bäuerin aus dem Oberallgäu, für das Höfesterben. Zum einen gebe es zu selten einen Nachfolger, der den Betrieb übernehmen wolle. Zum zweiten seien "eine zunehmende Bürokratie und zahlreiche Kontrollen zur Belastung geworden", sagte Müller. Viele dieser Probleme seien in Bayern und auch im Landkreis hausgemacht, sie seien nicht auf die EU zurückzuführen. So habe Bayern deutlich mehr Kontrollen landwirtschaftlicher Betriebe als andere Mitgliedstaaten. Fünf Prozent der konventionellen Betriebe würden pro Jahr kontrolliert, in Dänemark seien es nur ein Prozent.

Landwirt Peter Fichtner aus Bad Heilbrunn sieht die EU-Politik hingegen kritischer. "Ich verstehe die Gesetzestexte nicht mehr", sagt er. Außerdem würden Zuständigkeiten in der Landwirtschaft ständig hin und her geschoben. "Keiner stellt sich mehr hin, alle haben Angst, dass sie sich rechtfertigen müssen", meinte er. Dem pflichtete Kreisbäuerin Ulrike Fiechtner bei. Für sie gilt das nicht bloß für Politiker, "auch die Beamten haben Angst", sagte sie. Dagegen deutete Nikolaus Riesch aus Wackersberg sarkastisch auf den "Sachbearbeiter mit sadistischer Veranlagung", der eine Ursache für viele Probleme der Landwirte. Die hörten aber auch deshalb auf, weil sie ständig an den Pranger gestellt würden, schaltete sich Müller ein. Egal ob es um Glyphosat oder Tierwohl gehe, immer sei der Bauer schuld. Vieles werde da in dem Medien hochpuscht, sagte Landrat Niedermaier: "Man braucht einen Schuldigen. Wenn einer sagt, das sei nicht so schlimm, dann wird er aufgehängt."

Ein Diskussion entbrannte auch über den Umgang mit Kühen. Die EU müsse sich endlich um die Schlachtviehtransporte kümmern, forderte Fichtner. Die schrecklichen Bilder seien "in der heutigen Zivilisation ein Ding der Unmöglichkeit". Für Niedermaier wird der Tierschutz mitunter aber auch übertrieben. Er kriege "einen dicken Hals", wenn er an das Verbot der Anbindehaltung denke, sagte er. Dies könne zur Aufgabe von Höfen führen, und zwar "schneller als der Milchpreis". Selbst Veterinäre sähen kein Problem in der Anbindehaltung, die in richtiger Form "okay" für Kühe sei. Nicht die großen Laufställe prägten die Kulturlandschaft in der Region, sondern die vielen kleinen Betriebe, die zu 70 bis 80 Prozent im Nebenerwerb geführt würden, weil kaum mehr jemand von der Landwirtschaft allein leben könne. Aber es gelte gerade im Voralpenland, die typischen kleinen Gehöfte zu erhalten, sagte Niedermaier. "Da stehen wir in Bayern alleine."

© SZ vom 08.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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