Nach drei Tagen Probearbeit:Fast aus einem Guss

Lesezeit: 2 min

Nach drei Tagen Probe bildeten die jungen, unterschiedlich erfahrenen Musiker im Pfarrsaal in Beuerberg eine Einheit als Orchester. (Foto: Hartmut Pöstges)

Nachwuchsmusiker bilden homogenes Orchester beim Abschlusskonzert der Beuerberger Streichertage

Von Reinhard Szyszka, Beuerberg

Wie funktioniert das nur? Am Freitagmorgen waren mehrere Kinder und Jugendliche aus der Region nach Beuerberg gekommen, die sich zum Teil noch nie gesehen und nur eines gemeinsam haben: Sie spielen alle ein Streichinstrument. Unterschiedlich gut, versteht sich. Manche haben noch nie in einem Orchester gespielt, andere sind darin schon versiert. Auch die Altersklassen divergierten enorm: Die Kleinsten gehen noch in die Grundschule, während einige der Größten schon an der Musikhochschule studieren. Aber allen Widrigkeiten zum Trotz: Nach drei Tagen intensiven Probens sind die etwa 40 jungen Streicher zu einem Klangkörper verschmolzen. Sie studierten ein anspruchsvolles Programm ein, das sie am Sonntagabend dann aufführten.

Daniela Wabnitz, die vor drei Jahren die Leitung der Beuerberger Streichertage von der Gründerin Andrea Becker übernommen hat, verriet das Geheimnis. Die Begeisterung für die Musik und das Musizieren stecke an, die Großen motivierten die Kleinen, und oft stünden die Geübteren den weniger Geübten mit Rat und Tat zur Seite und zeigten ihnen, wie sie eine besonders schwierige Stelle bewältigen können, sagte sie. In dieser freundschaftlichen Umgebung wachsen dann auch die Anfänger über sich hinaus und fügen sich in den Gesamtklang ein. Denn das ist wichtig beim Streichorchester: Es muss klingen wie aus einem Guss, man darf keine Einzelstimmen heraushören.

Wabnitz hat gemeinsam mit Regina Noske, Gisela Bouton und Hedi Schütze ein Viererteam gebildet, das sich die Leitung der Streichertage - und auch des Abschlusskonzerts - gleichberechtigt teilt. Zu Beginn des Konzerts dirigierte Wabnitz einen Kanon des Beethoven-Zeitgenossen Friedrich Kuhlau, erst unisono, dann mehrstimmig. Das kurze Stück war bestens geeignet, die Anfangsnervosität - manche hatten noch nie vor Publikum außerhalb des Familienkreises gespielt - etwas abzubauen. Danach folgte gleich der dickste Brocken: das Violinkonzert in E-Dur von Johann Sebastian Bach. Die 13-jährige Elina Schweppe spielte den Solopart im ersten Satz, die 17-jährige Laura Handler übernahm die Sätze zwei und drei. Beide Solistinnen spielen seit frühester Kindheit Geige und haben schon etliche Preise bei "Jugend musiziert" eingeheimst. Die Künstlerinnen bewältigten ihre Soli mit Bravour. Wabnitz steuerte mit klarem, markantem Schlag durch alle Schwierigkeiten von Bachs Partitur und hielt das Orchester sicher auf Kurs.

Von ganz anderem Kaliber war das nächste Stück: "Blattgeflüster III" von Mark Kaufmann, der seit Jahren bei den Streichertagen mit dabei ist und jetzt an der Hochschule studiert. Der Komponist erläuterte sein Werk: Er hat sich von Animationen inspirieren lassen, bei denen gezeichnete Figuren zum Leben erwachen und allerhand Unsinn anstellen. Diese Idee hat er mit unkonventionellen Klängen aus Sul-Ponticello-Spiel und Pizzicato umgesetzt. Wabnitz ließ das kaum eine Minute lange Stück gleich zwei Mal spielen. Wieder ganz anders dann "Final Countdown" von Joey Tempest, dem Sänger der schwedischen Rockband "Europe". Gisela Bouton verwandelte hierfür das Streichorchester in eine Band.

Mark Kaufmann war nicht der einzige Komponist, der bei diesem Konzert ein eigenes Werk darbieten konnte. Die Bolivianerin Ana Cespedes hatte eine Messe - entfernt vergleichbar der bekannten Misa Criolla - geschrieben, wovon das Kyrie und das Sanctus aufgeführt wurden. Regina Noske dirigierte; Cespedes trat im exotischen Gewand auf, spielte das Charango - ein Zupfinstrument aus den Anden - und übernahm den Gesangspart.

Mit Volksmusik ganz anderer Art klang das Konzert aus. Das Orchester spielte in kleiner Besetzung den Zwiefachen "Karsilianna" sowie den bekannten "Siebenschritt", und die nicht beteiligten Spieler führten dazu unter der Leitung von Hedi Schütze einen Formationstanz auf. Alles in allem zeigten die Streichertage wieder eine erfreuliche Qualität der musikalischen Arbeit - und man kann nur wünschen, dass noch viele Generationen von jungen Musikern hier an die Orchesterarbeit und das Zusammenspiel herangeführt werden.

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: