Musik-Kabarett aus Österreich:Überirdisch

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Der "Blonde Engel" hat keinen roten Faden, aber viel Schmäh. (Foto: Manfred Neubauer)

Der "Blonde Engel" reißt mit spontanem Schmäh sein Publikum mit

Von Susanne Hauck, Icking

Wolfgang Ramadan hat ja so eine, nennen wir es, Mischkalkulation. In seiner Aboreihe "Brotzeit und Spiele" im Vereineheim Dorfen treten bekannte und weniger bekannte Künstler auf. Die Newcomer sind wie ein Joker: Manche zünden, manche nicht. Am Samstag wollte er dem Publikum den Blonden Engel "unterjubeln", wie er es formulierte. Von den Plakaten her erwartete manch einer das Schlimmste: einen Bubi mit Brille und schlecht sitzender Mozartperücke, der aussieht, als sei er erst gestern beim Kleinkunstabend vom örtlichen Gymnasium aufgetreten. Doch dieser Bubi erwies sich als Riesentalent.

Seiner Vita ist zu entnehmen, dass er auch schon zehnjährige Bühnenerfahrung hinter sich hat. Unglaubliche Musikalität besitzt dieser Engel im Rüschenhemd, und gepaart mit großer Spielfreude an der Gitarre und blühender Fantasie ist das eine großartige Mischung.

Wer von dem schmächtigen Jünglingskörper auf eine ebensolche Stimme geschlossen hat, wird von seinem tiefen Bass angenehm überrascht. Als erstes Lied singt er den "Nespresso-Song", eine Persiflage auf den Kapsel-Wahn, mit der er auf You Tube bekannt wurde. Ohne die Zunge zu verknoten, trägt er seinen Text in einem so irren Tempo vor, dass im Saal kaum einer mitkommt. Das weiß "Angel", wie er sich selber nennt, natürlich. "Soi i die Göschwindigkeit obischraum", fragt er frech. Denn der Engel ist aus Linz, und was aus seinem Mund kommt, ist alles andere als ein weichgespültes Österreichisch.

Dass er keinen "rodn Fodn" hat, bekennt er freimütig, auch wenn das Programm großspurig "Opus magnum" heißt. Er präsentiert eigene Lieder: über das Älterwerden, über Wiener Hypochonder, über den Zwang zur Selbstvermarktung ("Hosd die Klampfn dabei") und über Kinder mit Namen zum Fremdschämen wie Unterberger Justin und Holzinger Miranda. Sein Geburtsname ist eigentlich nicht zum Rotwerden, Felix Schobesberger, trotzdem verschweigt er ihn. Warum er sich "Blonder Engel" nennt, wird nicht recht klar, auch wenn er eine wirre Story dazu erzählt. Macht ja auch nichts. Denn der Österreicher läuft zu großer Form auf, wenn er das Publikum auf einen Parforceritt durch die Musikstile mitnimmt, dazu die Locken wild schüttelt, schelmisch grinst und die Saiten seiner Gitarre ungestüm bearbeitet. Den Schlager "Ein Bett im Kornfeld" interpretiert er auf Zuruf als Jazz, als Reggae ("Now listen"), als Rock'n'Roll, Country oder Blues ("Oh Lord, I woke up in the Kornfeld"). Das Publikum fühlt sich auch beim Raten von legendären Gitarrenriffs bestens unterhalten und traktiert ihn nach der Pause mit fiesen Begriffen wie "Mullwindel" und "Landtagswahl", die der Musiker spontan zu Impro-Songs reimt.

Zwischen den Programmpunkten schwadroniert er über alles Mögliche, was ihm gerade in den Sinn kommt. Wobei er, ganz ehrlich, nicht immer so viel zu sagen hat. Das stört aber nicht weiter, denn der charmante österreichische Schmäh macht einiges wieder wett. Seine große Stärke ist die Interaktion mit dem Publikum, so bringt er die gemeinhin zurückhaltenden Gäste in Dorfen sogar dazu, den Refrain vom "Ismus-Boogie" mitzusingen.

Das Beste ist die Zugabe: Dazu tritt er mit Goldleggins, nacktem Oberkörper und Engelsflügeln hinter dem Vorhang hervor. "Die Zugabe is grotis, i konn moch'n, wos i wui", droht er. Und dann wird's aberwitzig. Quälen sich andere Künstler gerade noch durch eine letzte Nummer, hat er eine schier diabolische Freude daran, sein Publikum nicht mehr "auszulossn". Er reimt, singt und klampft, als gäbe es kein Ende. Dieser Engel ist nicht von dieser Welt.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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