Münsing:Universal-Gefäße

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Herbert Nauderer hat die neuen Fenster für die Münchner Stephanuskirche entworfen

interview Von Stephanie Schwaderer

- Herbert Nauderer hat sich in den vergangenen Jahren vor allem als Schöpfer des "Mausmanns" profiliert: In verstörenden Zeichnungen, Collagen, und verfremdeten Fotografien entwirft er eine abgründige Parallelwelt, die den Betrachter ebenso fesselt wie irritiert. Ganz anders seine neueste Arbeit: Aus einem Wettbewerb der Evangelischen Kirche für die neue Glasgestaltung der Stephanuskirche in München ist Nauderer als Sieger hervorgegangen. Sein Konzept soll in der Mayerschen Hofkunstanstalt realisiert werden.

SZ: Herr Nauderer, wann waren Sie zuletzt in einer Kirche?

Herbert Nauderer: Ich denke, das war bei der Taufe der Tochter unserer Nachbarn. Wir haben hier ja eine wunderschöne Kapelle in Weipertshausen, Sankt Koloman. Dort gibt es immer wieder dörfliche Feierlichkeiten, auch Konzerte. Aber ein regelmäßiger Kirchgänger bin ich nicht.

Muss man ein überzeugter Christ sein, um Kunst für die Kirche zu machen?

Das kommt darauf an, was man unter Glauben versteht. Für mich hat der christliche Gedanke eine starke soziale Komponente. Mit katholisch oder evangelisch oder anderen Konfessionen hat das gar nichts zu tun.

Nauderer-Gefäße, grafisch klar auf weißem Opalglas - so sollen die Fenster in der Nymphenburger Stephanuskirche bald aussehen. Fotomontage: Nauderer/OH (Foto: N/A)

Und trotzdem haben Sie sich für die Neugestaltung der Kirchenfenster in der Münchner Stephanuskirche beworben?

Nein, das war ein geladener Wettbewerb. Sechs Künstler hat die Evangelische Kirche Bayern angeschrieben. Ich war einer von ihnen.

Wie haben Sie sich der Aufgabe genähert: Rational, oder haben Sie sich in die Kirche gesetzt und die Stimmung auf sich wirken lassen?

Beides. Die Stephanuskirche in Nymphenburg ist Anfang der 30er-Jahre gebaut worden, da steckt Blut-und-Boden-Architektur drin, alles relativ duster. Ich habe versucht, dem Ganzen etwas entgegenzusetzen.

Aber keine religiösen Figuren oder Szenen, wie man es aus alten Kirchen kennt.

Das war lange Jahre üblich. Mittlerweile hat die Kirche aufgemacht und sich zeitgenössische Künstler geholt - man denke etwa an den Kölner Dom und das Richter-Fenster. Die Kirche sucht den Dialog mit außen, die Spannung, die dadurch entsteht, keinen Kirchenkitsch.

Ihr Konzept sieht vor, auf den sieben Apsidenfenstern grafisch klare Gefäße abzubilden, wobei es sich um keine realistischen, sondern um Nauderer-Gefäße handelt. Warum?

Als ich mich auf die Arbeit eingelassen habe, wurde dieses Motiv für mich immer spannender, weil es universell ist und in allen Religionen vorkommt: Das Gefäß als Symbol für den Menschen, für das, was in und durch ihn fließt, aber auch für das, was er schafft. Die göttliche Komponente leuchtet in meinem Konzept im Altarfenster auf, das in Gelbtönen gehalten ist. Man kann dort abstrakte Kopf-Formen erkennen, muss aber nicht. Wichtig ist, dass es ein warmes Licht in den Raum bringt.

Ist die Kirche noch immer ein lukrativer Auftraggeber für einen Künstler?

Ja, doch, auf jeden Fall. Der private Kunstmarkt wird immer schwieriger, deshalb kann man sich über einen öffentlichen Auftrag nur freuen. Es steckt viel Arbeit drin, aber wenn es gut läuft, kann man von einem solchen Auftrag eine Weile leben.

Die evangelische Stadtakademie München lädt für Mittwoch, 8. Juli, 17 Uhr, zu einem Gespräch mit Herbert Nauderer in die Mayersche Hofkunstanstalt (Seidlstraße 25) ein; von 15 bis 17 Uhr gibt es dort eine Führung; Anm.: www.evstadtakademie

© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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