Münsing:Harter Zugriff

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Michael Endres verweigert konsequent Romantik am Klavier

Von Reinhard Szyszka, Münsing

Das Ambiente war traumhaft. Das zweite Konzert der diesjährigen Holzhauser Musiktage fand in der Seeburg bei Allmannshausen statt, einem Renaissancebau über dem Ostufer des Starnberger Sees. Das Publikum verteilte sich auf zwei Räume, der Flügel stand im Durchgang dazwischen, und aus den Fenstern schweifte der Blick weit über die Fläche des abendlichen Sees. In dieser Umgebung gab der Pianist Michael Endres seinen Klavierabend. Bis kurz vor Konzertbeginn hatte der Künstler das Programm immer wieder geändert, sodass die Programmzettel erst verteilt werden konnten, als die Zuhörer ihre Plätze schon eingenommen hatten. Und in der Pause überlegte er es sich wieder anders, sodass Johannes Umbreit die nächste Änderung ansagen musste.

Endres begann das Konzert mit einer der bekanntesten Beethoven-Sonaten, der "Pathétique". Sein Beethoven-Spiel war zupackend, virtuos und hart, durchaus mit feinen Akzenten und Rubati, aber betont unsentimental. Beim Ohrwurm des langsamen Satzes spielte Endres gezielt gegen den Clayderman-Touch an, brachte die schönen Melodien nüchtern herüber und wählte ein recht flottes Tempo, das aus dem Adagio fast ein Andante machte. Der gewöhnungsbedürftige Klang des Steingraeber-Flügels, der nicht optimal intoniert war, trug seinen Teil zum irritierenden Gesamteindruck bei.

Auch bei den nachfolgenden Impromptus von Schubert verweigerte sich Endres konsequent jedem romantischen Gefühl. Er rückte Schubert gezielt in die Nähe Beethovens und versuchte erst gar nicht, in die Tiefendimension der Musik einzudringen. Immer wieder gab es kurze lyrische Momente, ein ruhiges Ausschwingen, doch nach wenigen Takten kehrte der harte, energische Zugriff zurück. Eine unkonventionelle Schubert-Auffassung, die der eines Alfred Brendel diametral entgegengesetzt ist.

Nach der Pause dann die Fis-Dur-Barcarolle von Chopin und zuletzt Gershwins "Rhapsody in blue" in der hochvirtuosen Originalfassung für Klavier zu zwei Händen. Hier, bei Gershwin, konnte Endres sein stupendes technisches Können voll ausspielen, und hier passte sein direkter, unprätentiöser Stil auch wunderbar zur Musik. Zweifellos war die "Rhapsody" der Höhepunkt des Abends und riss die Zuhörer zu Begeisterungsstürmen hin. Endres spielte zwei Zugaben - nochmals Gershwin sowie die berühmte "Air" von Bach - und lieferte dabei nach, was im eigentlichen Konzert gefehlt hatte: ein ruhiges, lyrisches Auskosten der Melodien.

© SZ vom 18.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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