Mitten in Bad Tölz:So nah und doch so fern

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Wenn Beobachtungen mit knurrendem Magen enden...

Von alexandra vecchiato

An dieser Stelle soll keiner Gemeinde im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zu nahe getreten werden. Aber Hand aufs Herz: Bad Tölz ist schon traumhaft schön. Allein der Weg vom Parkplatz entlang der Isar ins Büro - was für ein Anblick. Arbeiten im Herzen der Kurstadt mit Blick in die Marktstraße - wer würde dafür nicht morden. Wer nun eine floskelreiche Liebeserklärung an Bad Tölz erwartet, wird enttäuscht werden. Es geht in dieser Betrachtung viel mehr um die Niederungen der menschlichen Natur: nämlich um Neugier und Häme.

Also, wir waren beim Blick vom Bürofenster runter auf die Marktstraße. Ein Dorado für Voyeure. Da sitzen sie, die Einheimischen und Touristen wie auf dem Präsentierteller an den Tischen der Cafés und Gaststätten. Selbst die riesigen Sonnenschirme vermögen nicht alles zu verbergen. Von oben kann man beobachten, wie so mancher in der Nase bohrt, vermeintlich verdeckt durch die Tischplatte nach Art von Bundestrainer Jogi Löw in den Untiefen seiner Hose umherkramt, Brotkrümel aus einem beachtlichen Dekolleté gepopelt w erden und sie offensichtlich mit dem exklusiven Trachtenmodengeschäft gegenüber liebäugelt, er dagegen plötzlich krampfhaft seine Geldbörse festhält.

Voll Schadenfreude kann man seinen Mitmenschen beim Essen zusehen. Da geht immer was daneben. Zwei Männer haben sich Weißwürste bestellt. Während der eine formvollendet die Pelle von der Wurst trennt, müht sich der andere recht ungeschickt ab. Nein, so ein grausliges Gemetzel. Die arme Weißwurst. Der blamiert sich aber sauber. Die Kehrseite: So viel Häme bleibt nicht ungesühnt. Beim Voyeur meldet sich der Hunger. Schnell was holen, geht nicht. Die Arbeit ruft, der Magen knurrt.

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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