Lenggries:Wasser in die Rißbach-Wüste

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Mehr als 300 Tage im Jahr führt der Rißbach bei Vorderriß kein Wasser. Andreas Pfirstinger, Fritz März, Karl Probst (v.l.) kritisieren die Behörden. (Foto: Manfred Neubauer)

Der Verein "Rettet die Isar jetzt" setzt sich dafür ein, dass auch in den Zuflüssen wieder mehr Wasser fließt. Derzeit ist die Gelegenheit günstig, denn Konzessionen für die Wassernutzung laufen bald aus

Von Erik Häussler, Lenggries

Der Rißbach führt in Vorderriß an 300 Tagen im Jahr kein Wasser. Das liegt an der Ableitung zum Walchensee. Ein riesiges Wehr leitet kurz nach der österreichischen Grenze den eigentlich reißenden Gebirgsbach in den See und schließlich ins Walchenseekraftwerk ab. Seit den 1920er Jahren wird massiv Wasser aus den Isarzuflüssen abgeleitet, um Strom zu erzeugen. Seit 1950 ist auch der Rißbach betroffen, der größte alpine Isarzufluss. Das könnte sich wieder ändern.

Bis 1990 führte wegen der Ableitungen auch die Isar teilweise gar kein Wasser mehr. Dass bei Lenggries heute immerhin wieder ein schmaler Fluss fließt, zählt zu den größten Erfolgen des Vereins. Bewirkt hat das eine Teilrückleitung von rund fünf Kubikmetern Wasser pro Sekunde in den Sommermonaten, etwas weniger im Winter. Ähnliches fordert der Verein für Zuflüsse wie den Rißbach.

Obwohl das mehrere hundert Meter breite Bett des Rißbachs meist komplett trocken liegt, bescheinigen die Behörden dem Rißbach einen ökologisch guten Zustand. Diese Bewertung hat das Wasserwirtschaftsamt Weilheim im Rahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie abgegeben. Karl Probst, Vorsitzender des Vereins "Rettet die Isar jetzt" kann darüber bei einer Begehung des Flussbetts, das einer Wüste gleicht, nur den Kopf schütteln. Möglich wird die seltsame Bewertung, weil mehrerer Flüsse zu einem Wasserkörper zusammengefasst werden. Die Messung findet an bestimmten Punkten statt. Im Fall des Rißbachs wird im intakten Oberlauf des Finzbachs gemessen, der bei Wallgau in die Isar mündet. Dadurch erhielt der komplette Wasserkörper, samt trockenem Rißbach, die gute Bewertung. Probst, spricht von einer "theoretischen Blase": "Ich messe dort, wo ich gute Werte bekomme."

Wenn der Rißbach offiziell in einem guten Zustand sei, habe der Verein schlechte Aussichten, seine Forderungen durchzusetzen, erklärt Probst. Gerade jetzt wären gute Argumente aber wichtig, denn in 15 Jahren laufen die Konzessionen über die Wassernutzung aus. Die Verträge müssten vom Freistaat Bayern bis spätestens 2020 gekündigt werden, sonst verlängerten sie sich automatisch um weitere 30 Jahre, erklärt Probst. Der Verein habe inzwischen eine mündliche Zusicherung der zuständigen Stelle und stehe zudem in Kontakt mit den Fraktionen im Landtag. "Wenn die Verträge gekündigt sind, können Verbesserungen im Sinne der Ökologie erreicht werden", sagt der zweite Vorsitzende von "Rettet die Isar jetzt", der Landschaftsökologe Franz Speer. Er kennt die Geschichte der Isarwasser-Nutzung. Nach dem Krieg seien die meisten Kraftwerke zerstört gewesen, die Alliierten hätten es untersagt, neue zu bauen. Doch das Walchenseekraftwerk war unversehrt, es konnte weiterbetrieben werden. "Eine Ökologie der 20er Jahre" finde an der oberen Isar heute noch statt, sagt Speer. Der Verein verlangt deswegen eine realistische Bewertung des Rißbachs und die Kündigung der Konzessionen für die Wassernutzung bis 2020. Speer ist optimistisch: "Die Politiker wollen sich nicht blamieren. Denn sonst würden alle Umweltverbände aufstehen." Langfristig werde auch an den Rißbach wieder Restwasser zurückgeleitet, so die Hoffnung des Vereins. Das führe am Kraftwerk zu einer Verringerung der Wassermenge von circa zehn Prozent. Für den Betreiber Eon sei das verkraftbar und durch Innovationen auszugleichen.

Der Verein werde oft mit dem Vorwurf konfrontiert, er sei gegen die Energiewende. "Das ist Schwachsinn. Aber es kann keine Energiegewinnung geben ohne eine ökologische Komponente", sagt Probst. Speer ergänzt: "Wir sind keine Fantasten oder Fundamentalisten. Wir fordern keine großen Mengen Wasser, die Wasserwirtschaft soll weiterarbeiten können."

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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