Lenggries:Talent mal drei

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Die Schwestern Lena, Sophie und Johanna Kiening sind ungewöhnlich erfolgreich bei "Jugend musiziert". Musik ist in ihrem Leben wichtiger als jede andere Freizeitbeschäftigung

Von Sabine Näher, Lenggries

Dass mehrere Geschwister aus einer Familie allesamt Erste Preise beim Regionalwettbewerb von "Jugend musiziert" erringen und in die nächste Runde zum Landeswettbewerb fahren dürfen, kommt hin und wieder vor. "Aber das sind eigentlich immer Kinder aus Musikerfamilien", sagt Harald Roßberger, Leiter der Musikschule Bad Tölz. Das trifft auf die drei Schwestern Lena (12), Sophie (14) und Johanna (16) aus Lenggries aber nicht zu: Mutter Andrea ist Lehrerin und Hobby-Flötistin, Vater Toni Informatiker. "Mir war aber schon sehr wichtig, dass jedes Kind ein Instrument erlernt", erklärt Andrea Kiening. Also machte sie die Töchter früh mit Musik vertraut, ganz so, wie sie es als Kind erlebt hatte: mit Blockflöte und Singen als Einstieg.

Die Mädchen besuchten den beliebten Kinderchor an der Lenggrieser Grundschule; den ersten Flötenunterricht erteilte die Mutter selbst. Ihre Töchter brachten dazu Freundinnen mit, und regelmäßig gab es Vorspiele in entspannter Atmosphäre mit allen Müttern bei Kaffee und Kuchen. "Ich habe mich schon darum bemüht, dass sie Spaß gewinnen am Musizieren", sagt Andrea Kiening. Das hat geklappt: Lena spielt Harfe und Waldhorn, Sophie Geige, Bratsche und Klavier und Johanna Querflöte. Beim Besuch der Kienings ertönt Musik aus allen Winkeln des Hauses. Jede Schwester hat ihr eigenes Zimmer und Übungsrefugium; das Klavier steht im Wohnzimmer.

Als Lehrerin ist Andrea Kiening damit vertraut, dass Druck und Zwang keine sinnvollen pädagogischen Mittel sind; ein Anreiz ist es vielmehr, Spaß an der eigenen guten Leistung zu gewinnen. Und da kommt dem alljährlichen Wettbewerb eine wichtige Rolle zu. "Ich habe ein Jahr ausgesetzt", sagt Johanna, die zum siebten Mal teilnimmt. "Und da hat mir einfach die Motivation gefehlt." Sophie, die schon zum achten Mal dabei ist, ergänzt: "Das zielgerichtete Üben im Hinblick auf den Wettbewerb hilft wahnsinnig. Man spürt selbst, dass man besser wird. Und dann macht es auch Spaß." Lena, die Jüngste, die auch schon zum dritten Mal teilnimmt, hat die Disziplin der älteren Schwestern noch nicht ganz so verinnerlicht. Sie freut sich vor allem auf den Wettbewerb, weil sie da immer viele nette Leute kennenlernt. Da alle Schwestern auch in mehreren Orchestern mitwirken, bleibt neben Schule und Musik kaum freie Zeit. Wenn doch, geht Johanna gerne zum Wandern, Sophie ins Kino oder Eisessen, Lena liest viel oder übt Karate. Alle betonen, dass sie auch Freunde haben, die keine Musik machen. Doch für die bleibt wenig Zeit, da auch ein Großteil der Ferien mit Probephasen der Orchester oder Konzertreisen belegt ist.

Zum Glück kommt auch beim Wettbewerb dem Miteinander-Musizieren immer mehr Gewicht zu, spielen Kammermusikformationen eine Rolle. Das ist schon deshalb sinnvoll, weil die wenigsten Musikschüler eine Solokarriere machen, sondern ihre berufliche Zukunft zum allergrößten Teil in Orchestern oder kleiner besetzten Ensembles finden. Wenn sie denn überhaupt diese Laufbahn anstreben. So sieht sich Sophie später nicht als Berufsmusikerin: "Ich möchte Geigenbauerin werden." Anders Johanna: Ihr schwebt schon vor, mit ihrer Querflöte einmal im Orchester zu spielen und nebenher zu unterrichten. Es gibt aber einen Plan B: "Ich könnte mir auch vorstellen, Hebamme zu werden." Lena träumt derzeit ebenfalls noch von einer Karriere im Orchester. Doch die Weichen dafür müssen früh gestellt werden. Die Teilnahme bei "Jugend musiziert" ist eine gute Übung: Wer die Vorspielsituation erst kennenlernt, wenn er sich um einen Studienplatz bewirbt, ist eindeutig im Nachteil.

Die Schwestern sehen dem Wettbewerb denn auch relativ entspannt entgegen. Stress, Angst vor dem Auftritt? Alle drei schütteln den Kopf. Anspannung, gewiss. Aber: "Man spielt für sich, nicht für die Jury. Und wenn's gut läuft, man Freude am eigenen Spiel hat, macht das wahnsinnig viel Spaß", sagt Sophie. Zumal sie gemeinsam mit Partnern antreten: Lena mit Sophie am Klavier, Johanna mit einem gleichaltrigen Pianisten, den sie in einem ihrer Orchester kennen gelernt hat. Und Sophie wird als Geigerin im Klaviertrio und solistisch mit der Bratsche dabei sein. "Dass jemand gleich mit drei Instrumenten für den Landeswettbewerb nominiert ist, ist mir bisher noch nie untergekommen", sagt Musikschulleiter Roßberger.

Mittlerweile hat der Landeswettbewerb in Regensburg stattgefunden, und die Kiening-Schwestern konnten hervorragende Erfolge verbuchen: Johanna errang mit ihrem Klavierpartner Max Bäumler 25 Punkte, also einen Ersten Preis und die ersehnte Weiterleitung zum Bundeswettbewerb. Das gleiche Resultat erzielte Sophie als Solistin mit der Bratsche. Ihr Klaviertrio mit Charlotte Henckel, Violoncello, und Antonia Solice, Klavier, erspielte sich ebenfalls einen Ersten Preis und darf auch nach Kassel fahren. Aber auch ihr Einsatz am Klavier mit Schwester Lena am Waldhorn war preiswürdig: Mit 19 Punkten erspielten sich die beiden einen Dritten Preis. Damit bleibt es für Johanna und Sophie in den Pfingstferien spannend: Dann findet der Bundeswettbewerb in Kassel statt.

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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